Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/20

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

es sich nicht läugnen, daß Intelligenz und Streben dadurch wesentlich geweckt werden. Der Stückarbeiter wird unter übrigens gleichen Verhältnissen immer intelligenter und aufgeweckter als der Lohnarbeiter sein. Allein ob auch gesunder? Die ziemlich allgemein gemachten Erfahrungen scheinen dem zu widersprechen und es liegt auch auf der Hand, daß der Stückarbeiter, der die Gefahren der Ueberanstrengung, vielleicht auch so manche andere Gefahr nicht kennt, die gerade in seiner Arbeit liegt, weit eher sich verleiten läßt, in seinem wie im Interesse seines Herrn seine Kräfte auf’s Aeußerste anzuspannen. Winkt ihm doch der höhere Lohn und damit die Aussicht, „sich allmählig in eine bessere und beneidenswerthere Lage emporzuschwingen“ – wenn er nicht, bevor er dieses Ziel erreicht, die Ueberspannung seiner Kräfte mit dem Leben büßen muß.[1]

b. Das Arbeitslokal.

Viel ließe sich darüber schreiben; doch ist es wohl der unbestrittenste Punkt der ganzen Fabrikhygieine, daß das Lokal, in dem der Fabrikarbeiter beschäftigt ist, die Luft, die er athmet, die Feuchtigkeit oder Trockenheit des Bodens,

  1. In der Provinz Sachsen sagen die Zuckerfabrikanten wie ihre Arbeiter: „Akkordarbeit ist Mordarbeit.“ Ein Fabrikant versicherte mich, die Akkordarbeit kürze das Leben entschieden ab. Die 50jährigen hätten durch sie eine Gesundheit und körperlichen Habitus wie früher die 60jährigen.
    (Schmoller: Ueber einige Grundfragen des Rechts und der Volkswirtschaft, pag. 69.)
    Und ähnliche Urtheile begegnen uns auch anderwärts.
Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)