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von ganz andern Dingen abhängt, als von der Kürzung der Arbeitszeit und daß diese Dinge, diese Bedingungen so ziemlich genau die Grenze stecken, bis wohin der Staat mit der gesetzlichen Beschränkung derselben überhaupt gehen darf.

Bis hieher und nicht weiter, wenn nicht gerade der hygieinische Zweck total verfehlt werden soll!

Ist es doch unter jenen Bedingungen vor Allem der Arbeitslohn, der dem Arbeiter und seiner Familie die Mittel zur Erhaltung ihrer Gesundheit und ihres Lebens bieten soll!

Unser Kollege sagt, die menschliche Arbeitskraft hänge von den verschiedensten Faktoren ab: von Nahrung, Kleidung, Wohnungsverhältnissen. Und darin hat er Recht und diese Faktoren zu übersehen oder doch ihre Bedeutung viel zu gering anzuschlagen, darin haben sie alle Unrecht, die unbekümmert um ihre unmittelbaren Folgen auf eine ungemessene Verkürzung der Arbeitszeit dringen.

Was hat der Arbeiter davon, wenn wir ihn um seiner Gesundheit willen nach achtstündiger Arbeit nach Hause schicken und sein um soviel reduzirter Lohn nicht mehr ausreicht, ihn und seine Haushaltung zu ernähren, zu kleiden, ihm eine Wohnung zu verschaffen, die ihn nicht noch weit mehr schädigt, als das „ungesunde“ Arbeitslokal? Und doch wird diese Konsequenz nicht ausbleiben, wenn der Staat die Arbeitszeit auch nur so weit reduzirt, daß er dadurch den Industriellen irgendwie empfindlich schädigt. Die Reaktion macht sich von selbst, sie ist unausweichlich: denn der Arbeitsertrag beherrscht mit den Arbeitslohn.

Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/25&oldid=- (Version vom 17.5.2018)