Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 005.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dreiecks bei Sicilien nach Osten schaut, ist sie bei Teneriffa umgekehrt nach Westen gerichtet. Die Gebirgskette, welche beide Inseln durchschneidet, wird auf beiden von einem ungeheuren Centralvulkan überragt. Während aber der 10,000 Fuß hohe Etna sich im östlichen Theile Siciliens erhebt, liegt der 12,000 Fuß hohe Teyde mehr im westlichen Theile von Teneriffa.

Der Anblick, welchen Santa Cruz und die nächstgelegene Südostküste Teneriffa’s vom Meere aus gewähren, ist ziemlich öde und bleibt weit zurück hinter dem entzückenden Bilde, welches uns in der vorhergehenden Woche bei unserer Landung auf Madeira empfangen hatte. Funchal, die reizende Hauptstadt von Madeira, liegt in einem weiten, äußerst fruchtbaren Thalkessel, der von allen Reisenden mit vollem Rechte als wahres Paradies gepriesen wird. Lichtgrüne Zuckerrohr-Plantagen zieren den Fuß der üppig bewaldeten Berge, welche sich in malerischen Formen über der Bai von Funchal erheben. Die zierlichen Häusergruppen, die staffelförmig an den Berggehängen emporsteigen, sind von der reizendsten Vegetation umgeben. Eine eben so warme als feuchte Atmosphäre macht die Insel zu einem natürlichen Treibhaus. Als wir auf Madeira zum ersten Male unsern Fuß auf außereuropäischen Boden setzten, glaubten wir uns schon mitten in den Tropen zu befinden. Ganze Haine von Bananen und Bambusen, Palmen und Euphorbien, und zahlreiche andere tropische Gewächse, von den prachtvollsten Blüthen überschüttet und von Schlingpflanzen umrankt, blendeten durch ihren bunten Farbenglanz unser entzücktes Auge und erfüllten die Luft mit balsamischen Wohlgerüchen. Und als wir die portugiesische Stadt Funchal betraten, welche in den letzten Jahren durch die Vorliebe der Engländer thatsächlich eine englische Colonie geworden ist, mußten wir den Geschmack bewundern, mit welchem dieselben diesen Garten Edens benutzt und durch Anbau der reizendsten Landhäuser zu einem unvergleichlichen Aufenthalte gemacht haben.

Welcher Contrast zu der Hauptstadt des spanischen Teneriffa! Oede und beinahe von Pflanzenwuchs entblößt, liegt die weiße Häusermasse von Santa Cruz an dem Fuße einer schwarzen oder braunschwarzen zackigen Gebirgskette von äußerst wildem und ungastlichem Charakter. Abgesehen von einigen kleinen Gärten und den einförmigen Cactus-Pflanzungen auf dem flacher abfallenden Vorlande, sowie von einer Anzahl Palmen, die zwischen den Häusern zerstreut sind, ist von Vegetation fast Nichts zu bemerken. Die nackte Gebirgskette von basaltischer Lava sieht mit mit ihren schwarzen, düstern Schluchten und ihrem wild zerrissenen Rücken fast so aus, als ob sie eben erst dem vulkanischen Schooße der feuerspeienden Insel entstiegen wäre.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_005.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)