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sie hier wie dort allgemein zur Einzäunung der Felder benutzt. Mit ihrem dichten Busche von seegrünen, schwertförmigen, stachligen Blättern und mit dem langen, einem riesigen Armleuchter gleichenden Blüthenschafte ist die Agave für die südeuropäische und die canarische Landschaft nicht minder charakterbestimmend, als der ebenfalls aus Amerika eingewanderte Opuntia- oder Cochenille-Cactus. Diese letztere Pflanze ist gegenwärtig eine der wichtigsten Nutzflanzen der canarischen Inseln und bedeckt den größten Theil des cultivirten Landes, namentlich auch die früheren Weinberge, die durch die Traubenkrankheit verheert sind. Die hohe Bedeutung des Cactus beruht nicht auf seinen wohlschmeckenden, saftigen Früchten, den sogenannten „indianischen Feigen“, sondern auf den Blattläusen, welche sich von seinen runden, scheibenförmigen, fleischigen Aesten und Zweigen nähren. Diese Blattläuse, die Cochenille-Thiere (Coccus Cacti), welche mit der größten Sorgfalt gezüchtet und abgelesen werden, liefern getrocknet das Carmin, unsern kostbarsten und werthvollsten rothen Farbstoff. Die Camele, denen wir auf der Straße nach Orotava begegneten, waren mit Säcken voll dieses wichtigen Handelsartikels beladen, die sie nach dem Hafen von Santa Cruz schleppten. Nicht blos als Lastthier sahen wir die Camele hier benutzt, sondern auch als Zugthier. Die Bauern, welche gerade einen Theil der Felder pflügten, hatten vor jeden Pflug ein Camel und daneben einen Esel gespannt. Dieses seltsame Zwiegespann ist auf den canarischen Inseln allgemein verbreitet. Schon von den normannischen Eroberern, den Bethencourts, wurden die Camele auf den Canaren als Lastthiere eingeführt. Doch haben sie auf Teneriffa und überhaupt den westlichen Inseln des Archipels nicht das Gedeihen und die Bedeutung erlangt, wie auf den beiden östlichen Inseln Lanzerote und Fuerta Ventura, welche der afrikanischen Heimath der Camele am nächsten liegen und auch bereits ein ganz afrikanisches Klima und Aussehen haben.

Eine Stunde hinter Laguna beginnt die Straße sich abwärts zu neigen und man betritt in der Nähe der Dörfer Tacaronte und Sauzal die Nordküste oder richtiger Nordwestküste von Teneriffa, welche durch ihre üppige Fruchtbarkeit zu der öden, heißen Südküste im erquickendsten Gegensatze steht. Ich kann den Eindruck, den sie auf uns machte, nicht besser als mit Humboldt’s Worten schildern: „Wenn man in das Thal von Tacaronte hinabkommt, betritt man das herrlichste Land, von dem die Reisenden aller Nationen mit Begeisterung sprechen. Ich habe im heißen Erdgürtel Landschaften gesehen, wo die Natur großartiger ist, reicher in der Entwickelung organischer Formen; aber nachdem ich die Ufer des Orinoco, die Cordilleren von Peru und die schönen Täler von Mexico durchwandert, muß ich gestehen,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_011.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)