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aufbrechen. Um die Kräfte für die bevorstehenden Strapazen zu sammeln, legten wir uns schon um 6 Uhr zu Bette. Doch ließ unsere hochgespannte Erwartung uns nur wenig zum Schlafe kommen. Jede Viertelstunde wachten wir auf, um nach der Uhr zu sehen. Endlich war 11 Uhr herangekommen und wir sprangen auf, um uns zu rüsten, und durch einen starken Trunk von ausgezeichnetem, auf der Insel selbst gewachsenen Kaffee für unsern Marsch zu stärken und zu wärmen. Um Mitternacht saßen wir wohlgerüstet im Sattel unserer Maulthiere. Doch dauerte es, wie allemal in Spanien und seinen Colonien, noch eine halbe Stunde, bis alle Pferde und Maulthiere in Ordnung und bis die ganze Caravane marschfertig war. Außer meinen drei Reisegefährten, dem Bonner Privatdocenten Dr. G. und den beiden Jenenser Studenten M. und F., hatte sich auch Herr Wildpret, der vorher erwähnte botanische Gärtner aus Orotava, der den Pik schon wiederholt, aber noch nie im Winter, bestiegen hatte, unserer Expedition angeschlossen. Jeder von uns hatte seinen eigenen Führer, der zugleich das betreffende Maulthier beaufsichtigte. Außerdem ritt an der Spitze des Zuges der Hauptführer, Don Emanuel Reis, einer der ältesten und erfahrendsten Pikführer. Den Schluß der Cavalcade bildeten zwei Packpferde, welche mit Proviant, warmen Decken und Kohlen zum Feueranmachen beladen waren.

Punkt 12½ Uhr setzte sich unsere Caravane in Bewegung. Da der Reitweg äußerst schlecht und steinig und meistens so schmal ist, daß nicht zwei Reiter neben einander Platz haben, so mußten wir in einer langen Linie hinter einander reiten, und da einige Maulthiere von widerspänstigem Charakter waren und manche Störung verursachten, waren die Spitzen des Zuges oft mehr als eine Viertelstunde von einander entfernt. Im Uebrigen waren wir in der besten Stimmung und Hoffnung. Die Wolken hatten sich fast ganz zerstreut und der halbe Mond beleuchtete unsern Pfad mit einer Klarheit und einem Glanze, von dem man in unsern Breiten keine Vorstellung hat. Eine höchst angenehme kühle Luft wehte uns von dem Pik herab entgegen. Die tiefe Stille der Nacht wurde nur durch den Tritt der Maulthiere und durch die Zurufe unterbrochen, durch welche die Führer sie antrieben: „Arriba mulo! Arriba cavallo!“ (Auf Maulthier! Vorwärts Pferd!) Die bevorzugten Maulthiere wurden, um tiefern Eindruck zu machen, bei ihrem weiblichen Taufnahmen gerufen: Arriba Clara! Arriba Blanca! Eh, Eh, Pepina! Eh, Eh, Christina!

Wir bedauerten lebhaft, sowohl den Hinaufweg bis zur Retama-Region, als auch den Hinabweg in der Nacht machen zu müssen, weil uns dadurch der Anblick der verschiedenen pflanzengeographischen Zonen entzogen wurde, welche Humboldt und Buch so anschaulich

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_015.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)