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dessen Mitte sich der eigentliche Kegel des centralen Vulkans erst erhebt. Der Circus selbst aber ist außen wiederum von den Cañadas umgeben, einer ungeheuren Ringmauer, welche nach innen steil abstürzt, nach außen dagegen sich sanft abdacht und allmählig in die tieferen Gehänge des Pikfußes verliert. Anschaulicher vielleicht noch ist der Vergleich des Centralgipfels mit einer Festung. Die Ringmauer der Cañadas bildet den Außenwall, welcher den Graben der Festung, den Circus umgiebt. Wäre der Circus mit Wasser, statt mit Bimssteinen angefüllt, und wäre nicht die Ringmauer der Cañadas an mehreren Stellen durchbrochen und besonders an der Nordseite sehr unvollständig, so würde der Circus in der That wie ein ringförmiger Festungsgraben den Centralvulkan umgürten. Niemals habe ich eine großartigere Hochgebirgs-Landschaft gesehen, als beim Eintritt in den Circus. Nicht allein der kleine Vesuv, sondern auch der mächtige Etna muß gegen diesen Gigantenbau zurücktreten. Die schwarz oder rothbraun gefärbte Ringmauer der Cañadas stürzt senkrecht in die weiße oder gelbe Bimssteinfläche des Circus hinab, überall mehr als 1000, oft mehr als 1500 Fuß hoch. Aber sie erscheint nur als eine niedrige Umwallung des Centralvulkans, dessen stolzer Gipfel sich noch mehr als 6000 Fuß über den Bimssteingürtel erhebt. Glatt wie ein Zuckerhut fallen die schneebedeckten Wände des colossalen Kegels allenthalben herab, nur von schwarzen strahlenförmigen Obsidianströmen theilweise unterbrochen. Von Vegetation ist in der öden, wasserlosen Hochebene des Circus weiter Nichts zu erblicken, als die zerstreuten Büsche des Alpenginsters, und sie wird daher von den Insulanern auch die Ginsterebene genannt, Llano de las retamas. Sie nimmt einen Flächenraum von mehr als zehn Quadratmeilen ein.

Wer den Vesuv kennt, kann sich nach diesem kleinen Muster ganz gut ein Bild von dem riesigen Teyde-Pik machen. Die Somma, deren Ringmauer den eigentlichen Vesuvkegel umgiebt, entspricht den Cañadas, und ist, wie diese, der Erhebungskrater, aus dessen Tiefe erst der eigentliche Kegel emporgestiegen ist. Der Circus zwischen Cañadas und Pik entspricht dem Atrio dei cavalli zwischen Somma und Vesuv.

Während die Richtung unseres Pfades bisher fast südlich gewesen war, wandten wir uns nunmehr, nach dem Eintritt in den Circus, mehr gegen Westen. Zwei Stunden lang ging es beinahe eben, nur wenig ansteigend, über die öde Bimssteinfläche des Circus hin. Der Boden ist überall mehrere Fuß hoch mit Nichts als mit diesem lockeren weißen Bimssteinen bedeckt, die um so größer werden, je mehr man sich dem Kegel nähert. Nur die Retama, welche fast gar kein

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_018.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)