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noch bis 11,000 Fuß hinauf. Durch die messerscharfen Kanten und Zacken des eisenharten Gesteins, die durch keine Verwitterung abgerundet sind, durch die zahlreichen Löcher, welche sich zwischen den kleineren und größeren Obsidian-Blöcken befinden, und durch die lockere Lage der leicht herabstürzenden Blöcke wird die Ersteigung des Malpays schon in der guten Jahreszeit sehr beschwerlich und selbst gefährlich. In viel höherem Maaße war das aber jetzt der Fall, wo das Malpays bis fast zur Estancia hinab dicht mit Schnee bedeckt war. Bei jedem Tritte mußten wir befürchten, auf der glatten Oberfläche des hart gefrornen Schnees auszurutschen, oder in eine gefährliche, durch den Schnee verdeckte Lücke zwischen größeren Blöcken hinabzustürzen. Ein eigentlicher Weg existirt hier natürlich gar nicht, und Jeder mußte sehen, sich selbst zu helfen, und allein hinaufzuklettern, wo es nur irgend ging. Bei jedem Tritte mußte zuvor mit dem Stocke sondirt werden, ob der Fuß festen Halt fassen könne. Zu den Beschwerden des steilen Kletterns gesellten sich andere, welche durch die eiskalte und sehr verdünnte Luft hervorgebracht wurden. Wir litten sämmtlich an Kopfcongestionen, und mehrere von uns bekamen Schwindelanfälle und Nasenbluten. Je höher hinauf, deste beschwerlicher wurde die Arbeit, und noch waren ein paar tausend Fuß zu überwinden. Unsere Hoffnung, den Gipfel zu erklimmen, sank mit jeder Minute.

Schon nach einer halben Stunde war die ganze Gesellschaft zerstreut. Da wir uns zwischen dem Chaos der Lavablöcke nicht sehen konnten, riefen wir uns noch eine Zeit lang gegenseitig zu; aber auch das hörte allmählig auf. Herr Wildpret und ich selbst hielten uns stets möglichst dicht an den Fersen des Hauptführers, Don Emanuel, welcher die Spitze des Zuges führte und uns zur äußersten Eile antrieb: bei der vorgerückten Tageszeit sei keine Minute zu verlieren, wenn wir unser Ziel erreichen wollten. Was mich bei der größten Anstrengung beständig frisch erhielt, war einestheils der feste Wille, den Gipfel zu erklimmen, koste es, was es wolle, anderntheils der äußerst interessante und wirklich mährchenhafte Anblick der schimmernden Eisblätter, welche die Lavablöcke in den wunderbarsten Formen überzogen. Ich wurde hier plötzlich durch ein sehr seltenes und eigenthümliches Phänomen überrascht, welches ich niemals auf den schneebedeckten Gipfeln und Gletschern der Hochalpen gesehen und von dem ich weder gelesen noch gehört hatte. Der halb geschmolzene und dann wieder gefrorene Schnee nämlich, welcher in dünnen Schichten die einzelnen Seitenflächen und Vorsprünge der vielzackigen Lavablöcke bedeckte, war in Form der zierlichsten Federn und Blätter gefroren. Die Schönheit und Mannichfaltigkeit der Eisfiguren, welche

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_020.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)