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Rast fühlten wir uns wesentlich erleichtert und setzten unsere böse Kletterei mit erneutem Muthe fort.

Nun war aber auch das Schlimmste überstanden. Wir gelangten jetzt bald an eine Stelle, an welcher der Schnee theils weicher, theils unter der oberflächlichen Eisdecke fortgeschmolzen war, und wo wir wieder festen Fuß fassen konnten. Mit Aufgebot der letzten und äußersten Kräfte ging es nun die letzten dreihundert Fuß auf diesem günstigen Terrain ziemlich rasch hinan. Punkt 12 Uhr Mittags am 26. November hatte ich das stolze Ziel, die höchste Spitze des Pikgipfels, 12,200 Fuß über dem Meere, glücklich erreicht. Ich stieß meinen Lorberstamm in die Eiskruste, welche die oberste Spitze des Kraterrandes überzog, und band daran mein Taschentuch, das lustig im Winde flatterte. Zehn Minuten später langte auch Herr Wildpret oben an. Wir waren beide im höchsten Maaße erschöpft, und suchten zunächst eine Stelle aus, wo wir vor dem heftigen Südwestwinde geschützt uns lagern konnten.

Der Raum auf dem höchsten Gipfel des Pik von Teyde ist überraschend eng. Wie auf den Gipfeln der meisten Vulkane, befindet man sich auf dem scharfen Rande eines kreisförmigen Walles, der den trichterförmigen Krater umgiebt, und der nach innen und nach außen gleichmäßig glatt und steil abstürzt. Der höchste Punkt des Kraterrandes, auf dem wir uns befanden, und auf dem ich meine Fahne aufgepflanzt hatte, liegt im Nordosten. Ein wenig weiter nach Norden, wenige Fuß unterhalb des Kraterrandes, fanden wir eine Gruppe von halbzerstörten Lavablöcken, welche eine eisfreie Stelle beschützten, und als wir uns im Schutze derselben lagerten, bemerkten wir zu unserm großen Vergnügen, daß die Asche ganz heiß war und an der Oberfläche eine Temperatur von 30–35 °R. hatte. Als ich die oberste Schicht wegräumte und dabei meine Hand tiefer in die Asche hineinsteckte, hätte ich sie beinahe verbrannt, so glühend heiß war es hier. Und wenige Schritte davon lag tiefer Schnee!

Die Wärme dieses geschützten Plätzchens war uns äußerst willkommen. In Kurzem waren unsere Lebensgeister, welche der eisige, sehr heftige Wind fast zum Erstarren gebracht hatte, neu belebt, und wir gaben uns, durch einen tüchtigen Schluck Rum gestärkt, dem Genusse des überwältigenden Schauspiels hin, welches sich unsern entzückten Blicken darbot.

Man wird fragen, ob dieser Genuß im Verhältniß stand zu den ungewöhnlichen Beschwerden und Gefahren, mit denen wir ihn erkämpft hatten. Ich stehe nicht an, diese Frage unbedingt zu bejahen. Die eine Stunde, welche ich auf dem Kraterrande des Pik verweilte, und welche mir so rasch wie eine Minute verfloß, gehört zu den unvergeßlichsten

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_024.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)