Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 040.jpg

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stimmte, von den Leuten am Ufer gezogen werden mußte. Als das Seil durch das hohe Grasdickicht des Ufers streifte, geschah es, daß dasselbe einem Bienenschwarme in den Weg kam, welcher einer großen Wolke gleich sich in demselben Moment über die Ziehenden und die Barke stürzte. Die Folge hiervon war ein Bild der Verwirrung, welches sich schwer beschreiben läßt. Kein Platz an Bord oder am Ufer war aufzutreiben, an welchem man sich dieser schrecklichen Plage, welche uns 2 Stunden lang heimsuchte, hätte entziehen können. Die Qualen, denen wir nun ausgesetzt waren, werden mir stets unvergeßlich bleiben. Bis man Zeit gewann, sich in Tucher gehörig einzuhüllen, regnete es förmlich Stich auf Stich an allen unbekleideten Körpertheilen, an deren Folgen man zwei volle Tage zu leiden hatte. Von der Wuth der Verzweiflung bis zur stummen Resignation unthätiger Ruhe in krampfhafter Einwickelung der Tücher hatte die Bevölkerung der Barke alle Phasen dieser Katastrophe durchzumachen, bis sich endlich Etliche dazu entschlossen, ans Ufer zu springen und das dürre Gras in Brand zu stecken, in Folge dessen sich der Riesenschwarm einigermaßen verzog und die Schiffsmannschaft zu den Stangen greifen konnte, um das gegenüberliegende Ufer zu gewinnen. Niemand von der ganzen Gesellschaft wollte etwas Aehnliches je erlebt haben, und auffallend war dabei der Umstand, daß gerade diese Uferstrecke allein eine solche Plage darbot. Alle Barken nämlich (15 an Zahl), welche in unserem Kielwasser steuerten und in den folgenden Tagen hier vorbeikamen, hatten das gleiche Ungemach zu bestehen und wegen größerer Ueberfüllung mit Menschen noch mehr zu leiden als wir. Auf einer derselben starben sogar zwei Fieberkranke, welche wahrscheinlich zu schwach waren, um sich gehörig schützen zu können, an den zahllosen Bienenstichen.

23. Januar 1869. Seit drei Tagen hat sich auch die Tsetse-Fliege eingestellt und ertheilt ab und zu den Reisenden empfindliche, aber nicht von unangenehmen Folgen begleitete Stiche. In den Morgenstunden zwischen waldlosen Ufern fahrend, wurde gegen Mittag auf der rechten Seite bei einer reizenden Buschwaldung gehalten. Blühende Leptadenien und Capparis bilden hier hochschlingende Lianen und verbinden nicht selten senkrechten Stricken gleich die weit ausgebreiteten Aeste der Schubahi-Acacien mit dem Boden, solchergestalt erwünschten Turnapparat für das Gaukelspiel der kleinen Affen darbietend. Hier ist wirklich Wildniß. Ueberall, wo man in die Dickichte eindringt, stößt der Fuß des Fremdlings auf zahllose Spuren des reichsten animalischen Lebens, Schlangenhäute und Federn aller Art, Schildkrötenpanzer und Fischgräten als Reste von Adler-Mahlzeiten, Thiergebeine, ab und zu auch vollständige Menschenskelete, sind über den Boden gesäet, dazu die vom Hochwasser allenthalben zurückgelassenen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)