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betrachten die Befahrer des Gazellenflusses als Folge des hier länger anhaltenden Hochwassers, welches ein Absterben der vom Wasser überflutheten Triebe bedingt. Auch hier sieht man deutlich, dass die Grasmaße eine schwimmende Decke darstellt, wie die Wiesenufer unserer beschilften Landseen, denn zahlreiche Löcher in diesem Rasen beherbergen weiße und blaue Teichrosen (Nymphaea Lotus u. N. stellata), welche in großer Tiefe wurzelnd ihre langgestielten Blüthen, gleichsam um Luft zu schöpfen, hervortreten lassen. Hascht man nun nach einer solchen und packt nicht sicher zu, so geschieht es häufig, daß die ganze Pflanze elastisch zurückschnellend unter der Grasdecke verschwindet und erst nach längerer Zeit wieder zum Vorschein kommt. Unter den übrigen zahlreichen Pflanzen-Arten, welche die Wasserflora des Gazellenflußes an dieser Stelle charakterisiren, erwähne ich nur die Ramphicarpa fistulosa Bnth., deren weiße Blüthen sich gegen Abend mit herrlichem Dufte erschließen, die winzig kleinen Utricularia tribracteata H. und zwei unbekannte Arten von Erigeron u. Senecio, Ceratophyllum demersum, Najas muricata u. Utricularia stellaris bilden überall fluthende Massen ohne Ende in der Tiefe des Fahrwassers. Nachmittags war der Cours NW. und WNW. Der Strom ist breit, aber die Ufer bilden ein unbegrenztes Grasmeer. Ein schwarzbrauner Plotus tritt jetzt in großen Schaaren an den Ufern auf, wo er der Jagd auf kleine Fische obliegt.

15. Februar. Heute erscheint der Fluß arg eingezwängt und hat eher das Aussehen eines Havelarmes in der Gegend von Potsdam als eines centralafrikanischen Stromes. Sehr häufig beträgt das offene Wasser nur die Breite einer Barkenlänge, die große von den längsten Stangen nicht erreichte Tiefe indeß verräth den unsichtbaren Wasserreichthum. Zur Zeit des Hochwassers dagegen ist Alles, was jetzt als Land erscheint, so weit das Auge reicht, ein unermeßlicher See. Krokodile und Hipopotami werden nirgends wahrgenommen, erstere sind in diesen Gewässern überhaupt sehr selten und die letzteren treten erst am oberen Theile des Gazellenflusses wieder in gewohnter Menge auf. Bei vorwiegend nordwestlicher Richtung kommen wir rasch vorwärts und erreichen am Nachmittag eine von vielen Nūer bewohnte Gegend. Letztere legten keine besondere Furcht an den Tag, denn ihre Rinder und Schafe weideten ungestört in der Nähe der am Fluß erbauten Hütten. Sie wurden mir überhaupt als verständige Leute geschildert, welche wohl wissend, was sie zu gewinnen und was zu befürchten hätten, einen friedlichen Verkehr mit den Handelsleuten vorziehen, welche unter ihnen zum Elfenbeinaufkaufe Agenten stationiren und sich aus diesem Grunde wiederum jeder Gewaltthat in ihrem Gebiete enthalten.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)