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kleineren Seriben weit im Umkreise von Feldern umgeben ist, und das Gebiet außerdem zahlreiche Dörfer zählt. Diese ausgedehnte Herrschaft, welche in Europa Millionen werth wäre, könnte man, ich glaube jederzeit für 20,000 Thlr. erstehen. Ich führe dies nur an, um zu zeigen, wie gering verhältnißmäßig der Vortheil ist, den diese scheinbar großartigen Unternehmungen der Chartūmer Kaufleute abwerfen, und um es durch Zahlen zu erhärten, kann ich anführen, daß der ganze Elfenbeinertrag dieses Jahres, welches ein gutes genannt werden kann, höchstens 8000–10,000 Maria-Theresien-Thaler an Werth in Chartūm repräsentirt. Die Ausgaben zum Unterhalte von 2–3 starkbemannten Barken, welche den Verkehr mit Chartūm unterhalten, sind bedeutend, und von den Sklaven hat der Seribenbesitzer gar keine Revenue, da er sie an die Gellaba für Spottpreise gegen Baumwollenzeug[1] und ähnliche Artikel verkaufen muß, um letztere den Söldlingen, 200 an Zahl, anzurechnen, wenn die eigenen Vorräthe nicht ausreichen, um wenigstens den kleinen Monatssold in baarer Münze ersparen zu können, welchen diese Leute, die hauptsächlich auf Sklaven angewiesen sind, neben dieser Art Bezahlung erhalten. Auch die jährlich zusammengeraubten Rinder, die merkantile Basis des jetzigen Elfenbeinhandels, reichen nicht immer aus, um Hunderte von Trägern, welche den Transport aus den Niām-Niām-Ländern hierher und zwischen diesem Platze und der Meschera vermitteln, zu befriedigen. Kolossale Massen an Kupfer[2] und Perlen verschiedener Art, die nicht zu den wohlfeilen gehören, sind für den Elfenbeinmarkt in dem Niām-Niām-Gebiete, sowie zum Unterhalt der Leute daselbst während der 6–7 Monate dauernden Expeditionen erforderlich, da in diesen entlegenen Gebieten aller Handel und Wandel auf völlig rechtlichem Wege betrieben werden muß. So ungünstig erscheinen die pecuniären Aussichten, welche der Handel am oberen Nil gegenwärtig gewährt, und dies unter Verhältnissen, welche auf Rinder- und Menschenraub im großen Maßstabe, sowie auf die von den leibeigenen Eingeborenen regelmäßig zu entrichtenden Abgaben an Korn und anderen Lebensmitteln basirt sind. Man kann sich daher vorstellen, wie bald die wenigen Europäer, welche zum Theil den Verkehr mit diesen Ländern eröffneten, und die bei Bezahlung ihrer Leute in klingender Münze sich weder mit Sklavenhandel noch mit Viehraub abgaben,


  1. Für 2 Stück à 20 Ellen, in Chartūm etwa 4 Maria-Theresien-Thaler werth, erhält man hier eine Sklavin, welche gewöhnlich ein Aequivalent für 2–3 Rinder bietet.
  2. Jetzt hauptsächlich in Gestalt fingerdicker Dräthe zur Anfertigung von Spangen aus Europa eingeführt.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_113.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)