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Die Kleidung der Frauen ist ausschließlich paradiesischer Natur, d. h. sie besteht aus einem coquetten Gehänge grünen Laubes, welches täglich erneut wird, und in zwei Hälften an einer Lendenschnur befestigt nach vorn, kürzer nach hinten meist in Gestalt eines langen Schwanzes herabhängend getragen wird. Ein solcher Schwanz wird noch häufiger aus Rindenbast gebildet, während das Laub für die Vorderpartie bleibt. Durch diesen Anhängsel nimmt die Silhouette einer gravitätisch daherschreitenden fetten Frau in so hohem Grade den Charakter eines tanzenden Pavians an, daß man nicht genug über den großen Contrast zwischen beiden Geschlechtern staunen kann. Alle völlig ausgewachsenen Frauen sind im höchsten Grade wohlbeleibt und tragen erstaunliche Fleischmassen mit sich herum. Ihre Schenkel haben nicht selten die Stärke des Brustumfangs schlanker Männer, und die Hüftenpartie, in einer Weise aufgetrieben, wie man sie bei der berühmten Figur von der hottentottischen Venus in Cuvier’s Atlas gewöhnlich für exagerirt hält, wie sie aber hier zu Lande eine tagtäglich in reichem Maße dargebotene Erscheinung bildet, sticht so gewaltig von der normalgebildeten, schon an und für sich üppigen Brust ab, daß, namentlich beim Tragen großer Wasserkrüge auf dem Kopf, ihrer gewöhnlichen Attitude, die Körpercontur die Gestalt eines abwechselnd gedrehten Ƨ anzunehmen pflegt. Ich halte dafür, daß Bongofrauen, deren Gewicht drei Centner beträgt, durchaus nicht zu den Seltenheiten gehören.

In Betreff des Gesichtsausdruckes giebt sich bei beiden Geschlechtern eine verwirrende Mannigfaltigkeit kund. Kurze Nasen, lange Nasen, platte und breite scheinen ohne Regel miteinander abzuwechseln. Im Ganzen genommen kann indeß nicht bestritten werden, daß diese Race in ihren Formen einen weit ästhetischeren Charakter zur Schau trägt, als den Dinka’s eigen ist, und jugendliche Personen, namentlich nicht völlig ausgewachsene Frauen, können nicht selten zu den ersten Schönheiten gerechnet werden, welche das schwarze Afrika aufzuweisen hat.

Fremd der großen Viehzucht, wie sie bei den Dinka’s verbreitet ist, haben die Bongo’s diesem Umstande ihren Frieden mit den sogenannten Türken,[1] und letztere wieder die Widerstandslosigkeit ihrer Untergebenen zu verdanken. Nur Hühner und einige Schafe und Ziegen bilden außer Hunden, welche, weit verschieden von der edlen Windspielrace der Schilluk, dem gemeinen Dorfköter des ägyptischen Sudan nahe stehen, die Hausthiere der Bongo.


  1. In der That liegen im Gebiete alle Seriben in Gegenden, deren Einwohner selbst der Viehzucht entbehren, wie Dōr und Djūr.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)