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nehme indeß an, daß die Seriba Ghattas an 100 Fuß über den niedrigsten Spiegel des Gazellenflusses gelegen sein möchte, eine Vermuthung, welche mir die Entfernung und der Terraincharakter, sowie die auf der Tour zum Djūr gemachten Wahrnehmungen bestätigten.

Am 18. Mai 5½ Uhr Nachmittags hatte ich Gelegenheit, hierselbst ein imposantes Naturphänomen zu beobachten. Große Wolkenanhäufungen verdeckten die dem Horizont genäherte Sonne, ließen aber über demselben goldene Lichtstreifen frei. Wie ein gewaltiger Alpenstock von dunkler, massiger Gestalt lagerte, umgeben von grünlich-schimmernden Gletscherfeldern und endlosen Lawinenmassen, die Centralwolke dieser großartigen Accumulation finster, bleifarben und unbeweglich auf den sich gleich Theatercoulissen vorschiebenden Strati, welche das Ganze majestätisch gen Norden wälzten. Scharf abstechend vom Glanze der untergehenden Sonne zeigte jenes gewichtige Wolkenhaupt an seinem oberen Contour drei abgerundete Anschwellungen neben einander, und letztere erschienen wie umstrahlt von einer himmlischen Glorie und im Zauberlichte überirdischer Farben, jede einzeln von einem eigenen Regenbogen berandet, von welchem nach allen Richtungen radiale Schattenstrahlen weit über das Firmament verliefen. Der unvergeßlicbe Anblick, welchen ein dreigegliederter (nicht dreifacher) Regenbogen und die merkwürdigen Schattenstrahlen gewährte, dauerte 5 Minuten, und bot Zeit, nach den Pastellstiften zu greifen, mit welchen ich das Zauberbild skizzirte.


Streifzüge zwischen Tondj und Djūr.

Den 6–10 April verbrachte ich in den benachbarten Seriben Gir und Addai des Ghattās. Gir, genau südlich von der Haupt-Seriba gelegen, kann auf nächstem Wege in 3½ starken Stunden erreicht werden. Inmitten einer von W. nach O. streichenden sanft und allmählig abfallenden Depression, welche ein von Bambus-Dschungeln umstandener Bach durchfließt, der dem Tondj tributär, befindet sich, umgeben von zahlreichen kleinen Dörfern und ausgedehnten Feldern, dieses Filial-Etablissement. Der Weg dahin beschreibt mehrere Zickzackwindungen. Zunächst erreicht man in SSW. nach etwa ¾ Stunden einen von Regenbetten durchfurchten dichten und hochstämmigen Park, welcher inmitten niederer Sumpfsteppen während der Regenzeit unter Wasser steht, und von riesigen Rubiaceen- und Myrtaceen-Bäumen mit 80 Fuß hohen geraden Stämmen gebildet wird. Die Leute der Seriben pflegen die von mir häufig besuchte Localität Genēna, Garten oder Park zu nennen, sie bildet einen auffallenden Gegensatz zu den übrigen Waldungen des Gebiets, erinnerte mich zum

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_123.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)