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des Tschatyr-Kul, das mit tiefem Schnee bedeckt war und die Karawane mit einer Kälte empfing, wie sie zu Kaschgar im Januar nicht gewesen war. Dafür konnte der See auch in gerader Linie auf dem Eise überschritten werden. Die Breite desselben schätzte der Reisende auf etwa 10 W. = c. 1½ Ml., seine Länge auf 20 W., also beinahe 3 Ml., seine Meereshöhe auf mindestens 7000 Fuß. Die letztere stellt sich aber nach Bunjakofski auf 11,050 r. Fuß, so daß der Nordrand, die Tasch-Rabat-Gruppe nur 1850 Fuß über das Plateau emporragen würde. (Alle Höhenbestimmungen Bunjakofski’s beruhen, wie wir nochmals bemerken, nur auf vorläufiger, noch nicht revidirter Berechnung.) Auf allen Seiten ist der Seekessel von Bergen eingeschlossen, welche kahl und alles Baumwuchses entkleidet emporstarren. Diese Bergumrahmung, verbunden mit der an sich so hohen Lage des See-Plateau’s, sowie die Eckstellung desselben im Südrande des breiten Thian-Schan-Rückens, läßt hier eine der entschiedensten Wasser- und Wetterwenden Mittelasiens entstehen. Von dem Wechsel des Klima’s nach Süden zu wird unten die Rede sein. Als Wasserscheide lernen wir den Gebirgsstock dieses Seeplateaus kennen, wenn wir erfahren, daß, wie der Akssai von hier nach Osten strömt, so die Arpa, ein zum Oxussystem gehörender Fluß, nach Westen, daß vom Nordabhange des Tasch-Rabat der Atbasch Zuflüsse empfängt, und vom Südabfall der Südkante unseres Seeplateau’s nicht unbeträchtliche Gewässer auf Kaschgar zueilen. Somit gehört alles Wasser, das nach Osten und Süden vom Bergstock des Tschatyr-Kul läuft, dem großen Steppenflusse von Ost-Türkistān an, während alles Wasser nord- und westwärts dem nördlichen der beiden Steppenflüsse von West-Türkistān[WS 1] zufällt. Weil aber hier, wie am St. Gotthard in der Schweiz, nach allen vier Himmelsgegenden Flüsse und ihre Thäler auseinandergehen, die Pässe zwischen ihnen gangbar sind, darum auch führt eine alte Handelsstraße von Norden nach Süden über dieses Seeplateau, und darum war der Name desselben der Wissenschaft europäischer Geographen längst kein fremder mehr.[1] Walichanof zog, wie wir wissen, auf der Rückkehr nach Rußland diese Straße, indem er am 30. März quer über den gefrornen See setzte. Am Tasch Rabat wurde das Nachtlager aufgeschlagen, und derselbe am folgenden Tage überstiegen, so daß am Abend des 31. März das Lager im „breiten ebenen Thale des Atbasch“ zu stehen kam (eine Angabe, die mit der Petermann’schen Karte nicht vereinbar ist). Beim Hinabsteigen zum Atbasch konnte an einer Stelle, wo der Weg hart am Rande eines hohen Felsens hinführte, die Gefahr für die Kameele


  1. Vergl. Ritter, Asien I, S. 327 und Humboldt, Centralasien, übersetzt von Mahlmann II. S. 227.
  1. Vorlage: West-Türkistn
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)