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12 Uhr Mittags, wo schließlich doch gegen ein angemessenes Geschenk ein Unterbeamter das Einschreiben besorgte. Es werden nämlich an der Grenze die Namen der Reisenden, die Zahl ihrer Diener, Kameele, Pferde etc. eingeschrieben.

Vom Piket aus durchzog die Karawane eine unfruchtbare Gegend, die nur hie und da mit Alhagi bestanden und von Hohlwegen durchfurcht war; nach vorn zeigten sich Reihen niedriger, von aller Vegetation entblößter Sandberge. Hinter denselben liegt die Dörfergruppe Ustun-Artysch. Dies ist ein Sammelname für mehrere Dörfer, die dem Flusse Artysch oder Toin entlang liegen, jedes aus 30 bis 50 Lehmhütten bestehend, welche von Obst- und Gemüse-Gärten umgeben sind. Die grünen Haine, in welche diese Dörfer mitten in der baumlosen Wüste gebettet sind, machen den angenehmsten Eindruck.

Am 10. October wurde beim Dorfe Igsek übernachtet, am folgenden Tage der Artysch an einer Stelle überschritten, welche Utsch-Burchan heißt. Hier sind auf der Höhe eines Thonfelsens dicht an der Uebergangsstelle drei Eingänge eingehauen, von denen die Einwohner erzählen, daß sie aus der heidnischen Zeit herstammen, und daß in dem Felsen ein Tempel mit Götzenbildern verborgen sei, doch scheint Niemand an eine genauere Untersuchung zu denken. Als die Karawane eine andere Reihe von Thonhügeln erstiegen hatte, erblickte man in der Ferne den blauen Streifen der Gärten, in welchen die die Vorstädte Kaschgar’s liegen. Gegen Abend wurde die Vorstadt selbst erreicht und das Lager am Grabmal des Kufalla Chodscha, 12 Werst von Kaschgar aufgeschlagen. Der Karawan-Baschi ritt mit einigen Begleitern in die Stadt, um dem Akssakal seinen Salam zu entbieten. Dieser nahm seine Gäste sehr artig auf, während die chinesischen und einheimisch-tatarischen Behörden durch allerlei falsche Gerüchte über Zweck und Größe der Karawane in große Unruhe versetzt waren. Der Vertreter Chokands sandte mit dem Seketschi, dem Zolleinnehmer, auch seinen Sohn zum Lager hinaus. Der ganze folgende Tag verging damit, daß ein Theil der Dienerschaft mit dem Vieh zum Dorfe Tosgun geschickt wurde, während die chinesischen und die tatarischen Beamten der autonomen einheimischen Verwaltung, welche indeß ganz chinesich gekleidet waren, allerlei Anstände erhoben, um den Kaufleuten der Karawane mit ihren Waaren den Eintritt in die Stadt zu verwehren. So kam es, daß der Einzug in dieselbe durch das südöstliche Thor, nachdem der Fluß Tümen auf einer hölzernen Brücke überschritten war, erst am 13. October (n. St.) d. J. 1858 erfolgte, und zwar durch eine Allee von Stangen hindurch, an welche Käfige mit den Köpfen der für den Aufstand von 1857 Bestraften aufgehängt waren.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_165.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)