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Doch die nördlichen Bewohner der östlichen Wüste blieben unabhängig bis auf die neueste Zeit. Jetzt hat Wadaï die Zorhaua, welche früher in einem Abhängigkeits-Verhältniß zu Dar Fōr standen, tributpflichtig gemacht, und übt die Oberherrschaft über Ennedi und durch dies Land auch über Wadjanga aus.

Tibesti und Borgu, welche auch früher wohl nur unvollkommen unterworfen waren, sind seit lange ganz unabhängig, und auch Kauar genießt einer nominellen, freien Selbstbestimmung, wenn auch die Bevormundung, welche es von Seiten der Tuareg Kēl-owí zu ertragen hat, schwer auf ihnen lastet.

Diejenigen Stämme der Tibbu, welche am meisten in der Entwicklung Bornu’s und Kanem’s verflochten waren, konnten sich natürlich der Einwirkung jahrhundertelangen, bewegten Zusammenlebens mit den übrigen Volkselementen der genannten Länder nicht entziehen. Am meisten schienen die Tibbu Kanem’s sich den Bornu- oder Sudān-Elementen zu assimiliren; doch auch die Einwohner Kauar’s erfuhren einen bedeutenden Einfluß. Kauar beherrscht den Weg nach der Nordküste Afrika’s und besitzt die reichen Salzminen von Bilma: wichtige Gründe für die Bornukönige, sich den Besitz dieses Landes zu sichern. Schon im 11. Jahrhunderte finden wir daher Kauar dem Kanemreiche unterworfen, und erfahren, daß ein Bornukönig Arki zahlreiche Sklaven dort ansiedelte, um durch Aufpfropfung anderer Elemente den nationalen Charakter der Tibbu zu modificiren und sich das Land zu sichern.

Die genannten Schriftsteller, geschichtliche Documente und Ueberlieferungen, welche uns über die langen Jahrhunderte von Kampf und Wirrwarr, die der östliche Sudān erfuhr, berichten, kennen den Namen Tibbu nicht. Dieser stößt uns zuerst beim Imam Achmed auf, der zu Ende des 16. Jahrhunderts die Heldenthaten des Bornukönigs Edriß Alooma berichtet und[WS 1] aus eigener Erfahrung die Tibbu Kauar’s und Kanem’s kannte. Daß man im Allgemeinen im Sudān, entfernt von den eigentlichen Sitzen der Tibbu, den Namen der zunächst wohnenden und bedeutendsten Abtheilungen der ganzen Nation beilegte, kann uns nicht Wunder nehmen. So geben die Zorhaua zur Zeit ihrer Machtenfaltung allen Völkern, welche sie unter ihrer Herrschaft vereinigten, ihren Namen, und sogar Makrisi bezeichnete die Bewohner der heutigen Tibbulandschaften mit „Zāghai;“ so nahm Leo Africanus die Goraʿan für die ganze Nation.

Noch empfindlicher als dieser Mangel an Namen oder die falsche Anwendung derselben ist der Mangel an jeder Discussion über die nationale Abkunft der abgehandelten Stämme. Wir finden auch nicht das geringste Urtheil in dieser Beziehung, weder über die Zorhaua,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_222.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2018)