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Haltung und einen gelassenen, determinirten, fast männlichen Schritt.

Bei dem gesunden Klima, der abgeschlossenen Lage des Landes und ihrer mäßigen Lebensweise unterliegen die Organismen der Tibbu nur unbedeutenden Störungen. Es giebt wenig Krankheiten und Kranke. Chronische Rheumatismen der Muskeln und Gelenke sind, wie es sich aus den meteorologischen und Bodengestaltungs-Verhältnissen erklärt, die häufigste Affection; dann kommen katarrhalische Entzündungen der Bindehaut des Auges, sodann Hautkrankheiten und endlich Krankheiten der Respirationsorgane vor. Von den Hautkrankheiten sah ich Psoriasis und Eczema; von den Affectionen der Luftwege chronische Catarrhe, Emphysem der Lungen und chronische Verdichtungen der oberen Partieen (Tuberculose?), doch waren beide Categorieen (Haut und Luftwege) spärlich vertreten. Alle andern Krankheiten mögen natürlich vorkommen, sind jedoch selten relativ zu andern Ländern. – Sehr häufig consultirte man mich allerdings wegen der „Galle“ (Collectiv-Bezeichnung für Verdauungsstörungen aller möglichen Art), doch geschah dies wohl zumeist nur den Brechmitteln zu Liebe, denn ich konnte nur selten auch nur einen Magenkatarrh constatiren.

Trotz ihrer vielfachen Reisen sah ich keinen Fall von Syphilis, ja man kannte nach meiner Beschreibung die Krankheit nicht einmal, obgleich sie in Fezān häufig vorkommt. – Die Abgeschlossenheit ihres Landes, die geringe Menge Sklavinnen, welche sie besitzen, ihre natürliche Enthaltsamkeit und die langen Reisen, welche sie, selbst wenn sie im Sudān oder Fezān inficirt sind, machen müssen, um ihre Heimath zu erreichen, alles dies mag ihr Land bisher mehr oder weniger vor diesem Uebel geschützt haben. – Von Scrophulose und Rhachitismus sah ich nichts.

Vor Importation von Pocken-, Cholera- und anderen Epidemieen schützt sie ebenfalls mehr oder weniger die isolirte Lage ihres Landes.

Ihre therapeutischen Eingriffe sind noch einfacher, als ihre Nosologie. Wo sie Schmerzen haben, sei es äußerlich oder innerlich, appliciren sie das Glüheisen und zwar oft mit barbarischer Energie. – Selbst Eczeme beschränkter Ausdehnung umkreisen sie zuerst mit dem Glüheisen und zerstören sie dann mit demselben. – Von innerlichen Arzneimitteln wenden sie hauptsächlich Natron an, seltener die Coloquinthe und die Senna, obgleich sie beide im Ueberfluß besitzen.

Am meisten ausgebildet ist noch die Chirurgie, wie es bei ihren continuirlichen, blutigen Zänkereien natürlich ist. Haut- und Muskelwunden werden durch die umschlungene Naht vereinigt, bei der die Karlsbader Insektennadeln durch die langen, spitzen und widerstandsfähigen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_239.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)