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Berechnung und Lokalkenntniß unseres Führers in die Gefahr des Verdurstungstodes kamen, konnte ich bei den uns begleitenden Tibbu noch keinerlei Symptome von besonderer Unbequemlichkeit entdecken, als die Neger und Fezāner schon halbbewußtlos dalagen, und sicherlich hatten sie während der Tage des Wassermangels weniger vom kostbaren Naß gehabt, als irgend Jemand.

Ein Tibbu Rešāde auf der Reise, im Sommer und ohne Kameel, mag 2 Tage ohne Wasser rüstig bleiben können, während der Besitz eines Kameels ihn befähigt, die doppelte Anzahl von Tagen auszuharren. Es ist dies immerhin enorm, wenn man die sommerliche Evaporation der Wüstenluft gehörig in Betracht zieht, die Gerhard Rohlfs an einem Tage zwang, 10 Liter Wasser zu absorbiren. Doch hängt ja überhaupt viel davon ab, wie man sich dem Durste aussetzt oder entzieht. Als wir nach unserer Flucht aus Tibesti das Tummo-Gebirge nach langem Hungern und Dursten und unerhörten Anstrengungen erreicht hatten und verlassen sollten, waren wir mit unsern geschwächten Organismen ohne alle Provisionen (mit Ausnahme von 30 Datteln per Kopf und zwei Händen von Mehl für sieben Personen) und ohne alle Transportmittel. Der Tummo ist vier Tagereisen von Tedžerri, dem südlichsten Fezānflecken entfernt, und die einzige Wasserstation trifft man erst in der Mitte des dritten Tages. Wir mußten also außer unsern Waffen noch unsern Wasservorrath auf den Schultern tragen, und ich gestehe, ich fürchtete für mich und meinem europäischen Diener das Schlimmste. Nun, ich muß trotzdem sagen, daß ich weniger während dieses letzten Abschnittes der leidensvollen Rückkehr gelitten habe, als zuvor in relativ günstigeren Verhältnissen, und doch machten wir ohne Nahrung mit nur zwei bis drei Glas Wasser per Tag 10 Marschstunden während dieses Zeitraums. So viel hängt von einer passenden Marsch- und Zeit-Eintheilung ab. Neben dem constanten Gebrauche des Litham boten wir der Evaporation so wenig Handhabe als möglich, marschirten nicht vor 4 Uhr Nachmittags und nicht länger als bis 9 Uhr Morgens. Den Tag verbrachten wir im Schatten von Felssteinen, regungslos und ohne überflüssig zu sprechen. Das ist eben die Art der Tibbu zu reisen, wenn ihr Wasservorrath erschöpft ist.

Es ist merkwürdig, wie die Tibbu bei dieser Enthaltsamkeit und bei ihrer gewöhnlichen Mäßigkeit, die ihnen zur andern Natur geworden sein sollte, sich bei einer günstigen Gelegenheit zu schmarotzen der größten Voracität ohne Unbequemlichkeit für ihren Körper hingeben können, und scheinen sie hierin ebenfalls den Tuareg zu ähneln, von denen Gleiches erzählt wird.

Ich fand die Frauen Tibesti’s weniger hübsch als die Männer.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_241.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)