Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 250.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nicht. Werden sie krank, so legen sie sich stoisch – oder besser gesagt – stumpfsinnig auf ihre Matte, lassen sich tüchtig Feuer vor den Füßen machen, bedecken sich auch wohl mit den wenigen Lappen, die sie besitzen, und warten dann gedankenlos das Ende der Krankheit ab. Wenn sie viel Durst haben, trinken sie viel Wasser, essen aber beim Kranksein wenig oder gar nichts, und werden sie von Fieberhitze zu sehr geplagt, so springen sie in den Fluß, der stets in der Nähe ihrer Dörfer zu finden ist. So ist kaltes Wasser wohl das einzige Heilmittel, welches sie nöthigenfalls anwenden. Aber bei schon öfter unter ihnen ausgebrochenen Masern und Pocken-Epidemieen hat diese rohe Naturheilkunde ihnen schon sehr viele Opfer gekostet und die Bevölkerung decimirt, da sie in der heftigsten Fiebergluth beim Ausbruch des Exanthems sich in den Fluß zu stürzen pflegten.

Wie sie sich bei schweren Verwundungen zu benehmen pflegen, weiß ich nicht; leichtere überlassen sie der Natur.

Geburten fanden während meiner Anwesenheit unter ihnen nicht statt, doch sagte man mir, daß die Wöchnerin sich bald nach der Geburt mit dem Neugebornen ebenfalls im Fluß zu waschen pflege, denn warmes Wasser können sie sich wegen Mangel an passenden Gefäßen, selbst der irdenen, nicht machen; nur verschiedene Fruchtschalen sah ich bei ihnen als Gefäße gebraucht.

Kinder hatten die Frauen nur wenige; 3–4 in einer Familie waren schon selten zu finden. Die Mädchen verheiratheten sich früh, bald nach der ersten Menstruation. Heirathsfähige Mädchen gab es damals keine unter ihnen, wohl aber mehrere unverheirathete junge Männer; die älteren Männer haben nämlich das Recht, wenn ihnen die erste Frau zu alt wird, sich eine zweite junge zu nehmen, und dieses Recht hatten mehrere Alten benutzt und so die Mädchenzahl verringert.

Die unverheiratheten Männer schienen übrigens die Frauen der anderen zu respectiren. Hat ein Mann zwei Frauen, so leben diese friedfertig zusammen in einer Hütte und arbeiten zusammen für den gestrengen Herrn, der die Jüngere aber doch bevorzugt, und, wenn er gejagt und gefischt hat, sich der Ruhe pflegt, entweder in der Hütte oder am Tage meist mit anderen zusammen im Schuppen – ihrem Herrenhause. Heirathsceremonien kennen sie nicht, wohl aber hat der Bewerber den Eltern des Mädchens eine Matte, oder ein Paar Hühner oder ein Stück Wild zu schenken, sie besitzen nichts Besseres, und damit ist die Trauung geschehen.

Bei Geburten bringen sie jetzt meist die Kinder zum Pfarrer, um sie taufen zu lassen – sie bekommen dann Padrinhos und kleine Geschenke von diesen – und damit hat ihr Christenthum ein Ende.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_250.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)