Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 272.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ungeheuerlichkeiten naturwidriger Terraingestaltungen jene seit Buache’s Vorgang früher besonders bei den Franzosen beliebte Manier der willkührlichen Zeichnung einer Bergkette auf jeder Wasserscheide geführt hat: ist nun auch das Resultat in den betreffenden Sectionen der Scheda’schen Karte von Oesterreich (No. 13, 14, 18, 19), Dank der umsichtigen Oberleitung und der vorgeschrittenen Ausbildung der Arbeitskräfte weniger abnorm ausgefallen, so zeigt es doch hinreichend, daß der Terrainzeichner selbst die wenigen über diese Gebiete vorhandenen Terrainbeschreibungen von Augenzeugen (z. B. eines O. v. Pirch, Berghauptmann v. Herder, A. Boué, F. Kanitz u. a.) ganz unberücksichtigt gelassen, wahrscheinlich gar nicht gekannt hat. Wie konnten sonst so hervorragende Züge in der Oberflächengestaltung Serbiens, wie die mächtigen Pyramiden des Rtanj und des Ozren (falsch Gozren in Scheda’s Karte) östlich der Morawa, der hohe Rücken des Kopaonik an der Südgrenze des Landes, die niedrigeren, aber durch ihre Vereinzelung auffallenden zu beiden Seiten der West-Morawa sich gegenüberstehenden Bergkegel des Kablar und Owtschar, der Hochgipfel von Rudnik im Centrum Serbiens, der Rücken des Cer (falsch bei S. Oracer) in der nordwestlichen Ecke, und im nördlichen Bosnien beispielsweise die ein weites flaches Hügelland schroff überragenden Felsgipfel des Krnjo-brdo und der Kozaratz-Planina ohne alle Markirung in dem eintönigen Grau langgestreckter Ketten verschwimmen, während anderseits oft das niedrigste Hügelland, die flachsten Höhenrücken (z. B. südlich von Belgrad und Požarevac), oder die einförmigsten Plateaus (z. B. an der Ostgrenze Serbiens gegen Widin) zu wahren Hochgebirgen übertrieben erscheinen, die breite Thalebene der bosnischen Spretscha ganz von Bergstrichen erfüllt ist. Aber noch bedenklicher ist, daß eben dies Flußnetz, auf dessen Configuration hauptsächlich die Terrainzeichnung Serbiens begründet[WS 1] ist, sehr geringe Autorität hat und in wesentlichen Punkten durch zuverlässige Zeugnisse als unrichtig erwiesen wird. Herr v. Scheda hat nämlich die hauptsächlich auf den Recognoscirungen russischer Officiere aus den Jahren 1828 ff. beruhende russische Karte von 1834 (ohne Terrainausführung) als maßgebend angenommen und ihr ganzes Netz von Ortspositionen, Wegen und Flußläufen im verkleinerten Maßstabe, fast unverändert, nämlich nur an die von österreichischer Seite her genauer festgelegte Donaulinie angepaßt, in seine Karte übertragen lassen. Diese sogenannte Aufnahme ist aber eine ihrer Natur nach höchst flüchtige, nur auf der Combination einer Anzahl von Routiers beruhende und keineswegs das ganze darin enthaltene Gebiet mit gleicher Genauigkeit darstellende Arbeit, in welcher ziemlich bedeutende Theile offenbar, um eine scheinbare Vollständigkeit zu erreichen, nur nach vagen Erkundigungen eingetragen sind, daher oft in Beziehung auf Richtungen und Distanzen, Ortslagen und Zusammenhang der Flußläufe mit den oben angeführten Berichten von zuverlässigen Augenzeugen und mit neueren im Lande selbst entworfenen Karten in direktem Widerspruche stehen. Allerdings sind leider alle diese sonst vorhandenen Materialien keineswegs ausreichend zur Herstellung eines annähernd richtigen Kartenbildes, aber indem sie sich häufig in ihren Abweichungen von der russischen Karte begegnen, geben sie für dieselbe wenigstens der Kritik einen Maßstab und erlauben doch, – allerdings mit mühseliger Arbeit der Combination – eine große Reihe von Ortslagen und Terrainverhältnissen viel genauer


  1. Vorlage: begrründet
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_272.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)