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Waffenschmuckes. So wird der Gebrauch des Waffentragens zu einer zwingenden Gewohnheit. Wegen der großen Gefahr, welche dies in den geschlossenen Ortschaften, wo es stets Dattelbäume und folglich auch Palmwein giebt, dem sie mit Leidenschaft ergeben sind (ihre einzige Unmäßigkeit) mit sich bringen würde, verbietet die Sitte den Einwohnern, im heimathlichen Dorfe mit den Waffen zu circuliren. Um trotzdem ihrer Gewohnheit zu huldigen, greifen sie auf die Sitte der Knaben zurück und tragen eine lange, spitze Lanze aus Holz und ein gekrümmtes Stück Holz, daß durch seine Form an ein Wurfeisen erinnert.

Die Frauen gehen ebenfalls niemals unbewaffnet. Sie führen unter ihrer Kleidung einen etwa handlangen Dolch, den sie auch in ihrem heimathlichen Dorfe nicht ablegen. Doch ist Richardson’s Erklärung, der diesen Dolch ihren Liebesintriguen zuschreibt, nicht richtig; die Tibbufrauen Tibesti’s sind im Gegentheil die pflichttreuesten Ehefrauen von der Welt.

Doch sind sie, wie die Männer, streitsüchtig und zornmüthig, und bei ihrem fast männlichen Charakter entscheiden sie ihre Zwistigkeiten sofort durch eine Rauferei, die zuweilen blutig endigt. Doch zuerst spielt der Dolch noch keine Rolle, sondern sie begnügen sich mit dicken Knitteln, ohne welche Waffe keine Tibbufrau ihr Haus verläßt. Sie tragen den Knittel über der Schulter, von dessen hinterem Ende ein ledergeflochtener Gürtel herabhängt. Die Bedeutung dieser beiden Gegenstände erregte zuerst mein lebhaftes Interesse, bis ich durch eigene Anschauung über dieselbe klar wurde. Sobald die wüthenden Weiber in handgreiflichen Streit gerathen, lösen sie den Gürtel vom Knittel, schürzen damit ihre Kleidung zusammen, sofern dieselbe nicht blos aus Ziegenfellen besteht, um nicht im Gebrauch ihrer Gliedmaßen behindert zu sein, und bedienen sich dann der Knittel mit männlicher Gewandheit und Kraft.

In der That haben alle ihre Bewegungen einen männlichen Charakter, wie ihre Art zu sprechen und zu denken ebenfalls unseren Begriffen vom weiblichen Wesen durchaus nicht entspricht. – Meine ärgste Feindin zu Bardaï war ein junges Mädchen von 13–14 Jahren, welche, sobald sie nur ein Stück meines Körpers außerhalb meines gezwungenen Aufenthaltsortes erblickte, aus weiter Entfernung Steine eines ansehnlichen Volumens mit solcher Kraft und Sicherheit nach mir „Heiden“ schleuderte, daß sie noch mehr mein Erstaunen, als meine stille Wuth erregte. Ja, einmal, als ich es gewagt hatte, mein Gefängniß zu verlassen, um zur Mittagszeit, als Alles ruhte, den köstlichen Schatten einer mehrere hundert Schritt weit entfernten Palmengruppe aufzusuchen, hatte sie mich erspäht, einige gleichalterige und

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_295.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)