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nur mit dem Unterschiede, daß sie sich ihrer Unkenntniß vielleicht mehr bewußt sind und das, was ihnen ein Geheimniß blieb, mit um so größerer Gluth und Hingebung verehren. Freilich giebt es viele unter ihnen, deren Kenntniß des vorgeschriebenen Gebetes mit „Allah akbar“ anfängt und auch schon endigt, doch dafür halten sie die Stunden des Gebetes pünktlich ein und denken bei dem einfachen „Allah akbar“ ebensoviel und vielleicht mehr, als viele, die in feierlich klingendem Tonfall nach „allen Regeln der Kunst“ zu beten verstehen und sich durch diese Kenntniß über Andere erhaben glauben. Genug, ich habe sie als sehr eifrige Muhammedaner kennen gelernt, (viel zu eifrig für meine Wohlfahrt), denen die Geheimnisse ihrer Religion freilich verschlossen waren, die aber gerade deshalb um so stolzer waren, ihr anzugehören.

Daß dieser Eifer nicht erkaltet, dafür sorgt die religiöse Genossenschaft, die sich das Seelenheil der Bewohner der östlichen Wüste angelegen sein läßt. Sidi Senussi, der Stifter derselben, ist zwar seit Jahren todt, doch seine Söhne und Nachfolger setzen die Mission mit bedeutend vermehrten Mitteln von ihrem Centrum Džerhabub bei Síwah aus fort. Von hier, wo sie Hunderte von Studenten und Nachfolgern um sich gesammelt haben, entsenden sie ihre Missionare und Boten, streuen die Keime des Glaubens unter Heiden und sichern und pflegen sie durch Gründung von Zauïen (religiösen Häusern). Von weit und breit fließen freiwillige Gaben in reicher Fülle bei ihnen zusammen und dienen dem großartigen Maßstabe ihrer religiösen Zwecke.

Dies ist auch das Glaubens-Centrum für die Tibbu Rešāde, die der großen Entfernung wegen von einer Commandite zu Wau aus, im Fezānischen Bezirke Scherkíya gelegen, geistig regiert werden. Wunderbarer Weise findet sich keine Zauïa Sidi Senussi’s in Tibesti selbst, während doch Bardaï ein sehr geeignetes Centrum dazu abgeben würde, und obgleich sich die neu bevölkerte Oase Kufara und Wadjanga mit einer viel unbedeutenderen Bevölkerung einer solchen erfreuen sollen.

Ihr Glaube muß natürlich von außen geschürt werden, da aus ihrer Mitte noch keine Erklärer des Koran, keinerlei Kirchenlichter, Säulen und Pfeiler des Islam hervorgegangen sind. Mühsam erziehen sie in Fezān einige „Fighi“, die sie Maʿalem nennen, und deren Kenntnisse gerade hinreichen, um die heranwachsende Jugend ihrer Umgebung die nothwendigsten Gebete stammeln zu lehren und den seltenen Ereignissen eines Briefes gewachsen zu sein, der doch gelesen und beantwortet werden muß. Gegenwärtig existiren zwei solcher Maʿalem’s, welche beide Enneri Bardaï bewohnen.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_300.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)