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der Tibbu Rešāde der westlichen Thäler auch wohl noch eine Frau für die Bardaï-Saison. Doch die bei weitem größere Majorität begnügt sich mit einer Frau im Vaterlande, und würde auch anderenfalls die Frau gar nicht die Stellung in Haus und Familie einnehmen können, die sie thatsächlich inne hat, und das würde sicherlich sehr zum Nachtheil des oft und lange abwesenden Gatten ausschlagen.

Den Heirathen gehen äußerst bindende Verlöbnisse voraus, die kaum jemals gebrochen werden, so lang auch oft der Zeitraum ist, der die Versprochenen von der Realisation des Bundes trennt. Ja, dies geht so weit, daß, wenn der Verlobte stirbt, gemeiniglich sein Bruder oder nächster Anverwandter, wenn unverheirathet, an seine Stelle tritt.

Die Verlöbnisse sind so langdauernd, um dem Bräutigam die Zeit zu geben, sich das nöthige Vermögen zu erwerben. Je nach den Umständen beansprucht nämlich der Vater der Braut mehrere Kameele, Esel, Schafe oder Ziegen, so zu sagen, als Kaufpreis, von dem er allerdings bei der Etablirung des neuen Haushaltes einen Theil als Aussteuer zurückgiebt. – Am Tage der Hochzeit, welche übrigens ungefähr nach arabischer Sitte gefeiert wird (Herumführen der Braut auf einem Kameele in Begleitung von Frauen und Mädchen unter dem üblichen Zungenschlage lu lu lu etc. etc.), führt der Mann seine junge Gattin in sein Haus, behält sie 7 Tage und liefert sie dann den Eltern zurück, indem er selbst seinen Geschäften nachgeht, nach Fezān, Kauar, Bornu reist und oft Jahre lang ausbleibt. Während dieser Zeit bleibt die Frau im elterlichen Hause; kommt jedoch später wieder eine längere Abwesenheit des Gatten vor, so bleibt sie im ehelichen Etablissement.

Die Ehen sind im Allgemeinen nicht sehr kinderreich, was gewiß in der allzuhäufigen und langen Abwesenheit der Ehemänner seinen Grund hat. Während derselben befleißigen sich die Frauen Tibesti’s, wie ich schon zu erwähnen Gelegenheit genommen habe, eines musterhaften Lebenswandels.

Da zur Häuslichkeit noch die Sklaven gerechnet werden müssen, so ergreife ich die Gelegenheit, einige Bemerkungen über das Verhältniß derselben in Tibesti einzufügen. Dieselben sind glücklicherweise nur in beschränkter Anzahl vorhanden; glücklicherweise für die Tedā Tu’s, deren Reinerhaltung von fremden Elementen dadurch begünstigt wird, und noch mehr glücklicherweise für die armen Sklaven, deren viele dadurch der traurigen Perspective entrückt werden, nach Tibesti verkauft zu werden. Die Sklaven der Tibbu Rešāde sind wirklich in einem herzzerreißenden Zustande der Verkommenheit. Lebt man in Tibesti schon im Allgemeinen allzumäßig, so unterwirft

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)