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auf chinesichem Gebiet und jeder Chinese in Korea mit dem Tode bestraft. Die Anwohner des neutralen Gebiets dürfen eine Meile weit in demselben ihr Vieh hüten, Holz schlagen und Gras sammeln. Aber Niemand darf sich ansiedeln oder den neutralen Boden (außer in den angegebenen Fällen) überschreiten. Am Kao-li-mön wachen chinesische Beamte, und da wo der Saumweg die koreanische Grenze passirt, ist ein Thor mit koreanischen Beamten.

In dieser Maßregel hat sich China einen Schutzwall gegen Korea errichtet, der kräftiger ist als die große chinesische Mauer. Es giebt auf der Erde keine schärfere Grenzscheide zwischen zwei Nationen, als die zwischen China und Korea ist. Mit Ausnahme der Bewohner von Fong-whang haben die Chinesen entlang der Grenze, obgleich nur ein bis zwei Tagereisen von den Koreanern entfernt, doch nur von ihnen sprechen gehört, nie sie selbst gesehen. Als einen Beweis kann es Dir gelten, daß man mich in den Grenzgegenden selbst überall für einen Koreaner hielt. Korea ist den Leuten wie ein weit entferntes Fabelland. Aber die alten Ueberlieferungen üben doch immer noch insofern einen Einfluß aus, als die Chinesen eine gewaltige Furcht vor ihren kriegerischen Nachbarn bewahrt haben. Gemischte Ehen sind unter solchen Verhältnissen unmöglich; die Koreaner haben daher ihre Nationalität rein bewahrt. Ebenso ist es mit der Sprache. Es giebt wohl keinen Chinesen, der Koreanisch spricht. Aber gebildete Koreaner verstehen nicht nur die chinesischen Schriftzeichen, sondern sprechen auch den Mandarin-Dialect vollkommen. Es ist wohl bekannt, daß die koreanische Sprache von der chinesischen ganz verschieden ist, wiewohl sie von derselben manche Worte aufgenommen hat, ebenso wie die japanische Sprache. Chinesische Bildung und Gelehrsamkeit sind daher den Koreanern vollkommen zugänglich, und sie können sich das Beste daraus entnehmen. Wie viel sie sich davon angeeignet haben, und in wie weit die Lehren des Confucius ihre politischen Prinzipien und staatlichen Einrichtungen beeinflussen, könnte man natürlich erst durch einen längeren Aufenthalt im Lande kennen lernen. Doch wie weit auch dieser Einfluß gehen mag, so beeinträchtigt er doch in keiner Weise die nationale Sonderung von Chinesen und Koreanern. Dies ist um so auffälliger, wenn man in Betracht zieht, wie an allen andern Landgrenzen von China erst eine Vermischung der Nationalitäten, und dann eine langsame Absorption des Fremden durch chinesische Sprache, Regierungsform und Bildungsart stattfindet. Die französische Mekong-Expedition beobachtete diese Assimilation an der Südgrenze von Yünnan, und ich hatte Gelegenheit, ihre Wirkungen in der Mantschurei zu sehen. Nur bei einem kleinen Theil der Landbevölkerung in den nördlichen Districten ist das Mantschurische noch

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_319.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)