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Die Insel S. Vicente.
Von Dr. Carl Martin,
Arzt in Puerto Montt.

Die Insel S. Vicente ist die letzte Kohlenstation nördlich vom Aequator, und hier versorgen sich alle nach den südlichen Küsten des atlantischen Oceans bestimmten Postdampfer für ihre weitere Fahrt bis zu den nächsten Kohlenstationen in Pernambuco, Bahia, Rio, Montevideo, Buenos Ayres oder die Capstadt mit Kohlen. Die capverdischen Inseln, zu denen auch S. Vicente gehört, bilden klimatisch zwei Gruppen, eine östliche aus den Inseln „Sal, Alayo, Boavista und Santiago“, und eine westliche aus den Inseln „Saõ Antonio, Saõ Vicente, Santa Luzia, Saõ Nicolas, Brava und Fuego“ bestehend. Nach dem Bericht des englischen Consuls in S. Vicente, John Rendale (Guide to the Cap de Verd Islands, London 1861) sind die östlichen Inseln alle unfruchtbar, heiß, dürr und sehr ungesund, sowie ohne gutes Wasser, wie sich dies aus ihrer Nachbarschaft zur Sahara, von wo stets die heißen Passatwinde herüberwehen, leicht erklären läßt; die westlichen mehr in den Ocean hinausgelegenen sind hingegen fruchtbarer, kühler und etwas feuchter. In der That dienen die östlichen Inseln Sal, Mayo und Boavista hauptsächlich zur Salzgewinnung, indem dort das Meerwasser in den Felsenklüften von der Sonne direct ausgetrocknet wird; wegen gänzlichen Regenmangels ist eine Auflösung des Salzes durch Regen nicht zu befürchten. Der furchtbar öde und wüste Eindruck, den die westlichen Inseln, wenigstens das am meisten besuchte S. Vicente, auf den Reisenden machen, läßt einen Schluß ziehen auf den unwirthbaren, der Sahara näher liegenden östlichen Inselgruppe. S. Vicente ist die einzige Insel unter den Capverden, welche einen vor den Wogen und meist vor den Winden geschützten Hafen besitzt und der zu allen Jahreszeiten besucht werden kann, wenigstens einige Erfrischungen darbietet und gesund sein soll. Dadurch, daß an dem Nordwestende der Insel sich zwei Felsreihen weit in den Ocean hineinerstrecken, die eine mehr als halbkreisfömige abgerundete Bucht einschließen, wird der Hafen gebildet, welcher noch durch einen vorliegenden steil emporstrebenden Felsen „Ilha dos Passaros“ (Vogelinsel) genannt, abgeschlossen wird. Die Bucht, welche über eine englische □Meile groß sein mag, wird außerdem noch durch die etwa eine deutsche Meile weit entfernte hohe langgezogene Insel Saõ Antonio nach Norden und Westen hin geschützt. Da nun auf der anderen Seite der Hafen selbst durch hohe Berge geschützt ist, so dringt eigentlicher Sturm von keiner Seite herein, wenn auch fast fortwährend von jenen Bergen heftige kühle Windstöße, besonders von Osten herabkommen. Zwischen den beiden Inseln können nun die Dampfer bequem von Europa herein und auf der südamerikanischen Seite wieder hinausfahren und sich im schönen, tiefen Wasser vor Anker legen. Allerdings haben sie von ihrem Ankerplatz einen ziemlichen Weg bis zu den Kohlenschuppen, von denen aus ein hoher mit Schienen versehener Damm in die See hineingebaut ist. Gegenwärtig wird von der Felsenecke unter dem Fort ein zweiter Damm in die Bucht hineingebaut, so daß alsdann die Dampfer unmittelbar vom Lande aus die Kohlen einnehmen können, während dieselben jetzt ihnen mittelst zahlreicher großer eisenbeschlagener Leichtern zugeführt werden, die entweder von einem kleinen Dampfer oder von Kähnen, die von Negern

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_372.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)