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12 dort befindlichen Familien werden bis Ende dieses Jahres 12 steinerne Häuser fertig gestellt sein. Schon steht die Hälfte davon, sowie auch das Gemeindehaus, das als Kirche und Schule dient. Schon ist eine Schule im Gange, wo ein Lehrer etwa ein Dutzend Kinder der Colonisten und etwas mehr arabische Kinder unterrichtet. Für eine höhere Schule, wo Handwerke, Ackerbau, sowie Sprachen, Geographie u. dergl. gelehrt werden sollen, sind schon einige Lehrer berufen; ja, schon haben sich einige ältere Araber angemeldet, die ebenso wie die Kinder eine große Gelehrigkeit im Erlernen der deutschen Sprache zeigen. – Bis jetzt besitzt die Colonie nur 50 Morgen Land zu Gärten; sie hat von größeren Ankäufen vorläufig Abstand genommen, weil ihr der Vali von Damaskus bedeutende Landschenkungen in Aussicht gestellt hat. Mit Viehzucht hat sie bereits begonnen; baldmöglichst sollen Ackerbau, Waldanpflanzungen, Weinbau nachfolgen. Zu letzterem begleiteten Neckarreben die Ansiedler in den Osten, wie überhaupt Geräthe und Sämereien jeder Art. Hoffentlich wird dann bald Karmelwein sich dem von Deutschen bereiteten Jerusalemer und Betlehemer zur Seite stellen und dem scheußlichen Getränke gegenüber, das die Juden in Tiberias durch Kochen der Trauben gewinnen und als Wein verkaufen, der palästinensischen in der Bibel so gerühmten Weincultur wieder zu Ehren verhelfen.

Wohl am schönsten aber liegt die Colonie bei Jaffa inmitten der Gärten, die ½ deutsche Meile weit die Stadt rings umgeben. Da erheben sich zwischen reich bewässerten Granat-, Apfelsinen-, Citronen- und Orangengärten, welche riesige Opuntienhecken umgehen, auf einem Hügel etwa 10 Minuten nördlich von der Stadt, die zwei- und dreistöckigen, villaartigen Häuser der Colonie, die fertig gezimmert von den einstigen amerikanischen Ansiedlern 1866 aus ihrer Heimath Maine mitgebracht worden waren.

Hier wohnen in 6 Häusern an 60 Personen, davon 2/3 ledige Leute und 5 Familien. In der Mitte erhebt sich die kleine Kirche, zugleich als Schule dienend, an welcher zwei Lehrer unterrichten. Ihr gegenüber liegt das Hotel des Hrn. Hardegg, ein vortreffliches, wohl verwaltetes Haus, das einem wirklichen Bedürfniß abgeholfen. Eigenthum der Colonie ist auch ein kleines Spital in der Stadt mit 6 Betten, sowie eine Dampfmühle. Die Ansiedler sind meist Handwerker; einige auch Landleute, denen bis jetzt circa 100 Morgen Land nördlich der Stadt und ihrer Gärten gehören und die im Begriff sind, diesen Besitz weiter auszudehnen. Hier gedeiht im Winter jegliches Gemüse, wie denn bis jetzt Kopfsalat, Rettig, Bohnen, Erbsen, Linsen, Rüben, Kartoffeln, Spinat, Kraut, Blumenkohl etc. mit Erfolg gezogen wurden. Wenn erst die aus zahlreichen Quellen und Brunnen zuspeisende Wasserleitung vollendet ist, so wird dadurch während des ganzen Jahres der Gartenbau ermöglicht. Die gesunde Lage Jaffa’s, die kühlende Nähe des Meeres, der Wasserreichthum wird hoffentlich dieser Colonie zu günstigem Erfolge und ihren Bewohnern zu dem gleichen Ansehen verhelfen, dessen ihre Genossen in Jerusalem genießen, die als die fleißigsten und zuverlässigsten Bewohner der Stadt gelten.

R. Kiepert.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_376.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)