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Theile, S. 291 – 304, das deutsche Sprachgebiet in Frankreich. Böckh bezeichnet die deutsche Sprachgrenze so genau, daß man sie mit Leichtigkeit auf jeder Specialkarte verfolgen und eintragen kann (S. 166).

„Der Eroberung von anderthalb Jahrhunderten bedurfte es und der wiederholten Mitwirkung Deutscher selbst, um das Elsaß aus dem Bereich deutscher Landesherrschaft zu ziehen. Wie die Tabelle IX mit der beigefügten Erklärung zeigt, wurde das erste Viertel desselben, die österreichischen Besitzungen mit der elsässischen Landvogtei (285 Gemeinden mit gegenwärtig 227,000 Einw.), durch den westfälischen Frieden, das zweite, die Reichstädte, die Reichsritterschaft und die Reichstifter (159 Gemeinden mit 226,000 Einw.) durch die Reunionen unterworfen, während die Republik Strassburg (sowie sie auch bei Ristelhuber bezeichnet) und der Bischof von Strassburg für seine elsässischen Besitzungen (im Ganzen 160 Gemeinden mit 262,000 Einw.) sich freiwillig unter die Protection der französischen Könige stellten; durch die Erwerbung von Lothringen und den Uebergang einiger elsässischer Herrschaften aus dem Besitze deutscher Fürsten in den französischer Unterthanen wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts noch einzelne Theile (42 Gemeinden mit 47,000 Einw.) Deutschland entfremdet; das vierte Viertel, nämlich verschiedene Mediatherrschaften deutscher Fürsten und die mit der Eidgenossenschaft verbundene Republik Mülhausen (230 Gemeinden und 239,000 Einwohnern), kam erst in Folge der französischen Revolution ganz unter Frankreichs Herrschaft.“

Den Raub von anderthalb Jahrhunderten hat unser braves deutsches Heer den Franzosen in dem kurzen Zeitraum von etwa 3 Wochen wieder entrissen. Die Schmach, welche uns unsere phrasenreichen und durch schlechte Regierung demoralisirten Nachbaren in so langer Zeit angethan, ist durch ihre Unverschämtheit und deutsche Machtentfaltung zu Falle gebracht.

Das Elsaß und Deutsch-Lothringen werden fortan als deutsches Land in deutscher Hand zur Wacht am Rhein erhoben werden, und mögen die Herren Franzosen sich auch wie Wahnsinnige und verwilderte Menschen geberden, Deutschland wird fortan französischen Uebermuth zurückzuweisen wissen. – Diese kleine Abschweifung von unserem Gegenstande mag durch die jetzt herrschende Stimmung entschuldigt werden.

Böckh berechnet das ganze deutsche Sprachgebiet in Frankreich zu ungefähr 140 geograph. Quadratmeilen, 876 Gemeinden mit einer Million Einwohnern. –

Das ganze Werk[WS 1] zerfällt dem Inhalte nach in drei Abtheilungen: das Vorwort, den beschreibenden Theil und den tabellarischen Theil. Im Vorwort spricht der Verfasser zu Gunsten der Anerkennung des Nationalitätsprincips. Er sagt: „In grundsätzlich richtiger Auffassung muß die Anerkennung des Nationalitätsprincips im gemeinsamen Interesse aller Völker liegen. Keinem Volke ist die ihm eigenthümliche Geistesgabe zum Zweck der Unterdrückung anderer verliehen und keinem kann diese Unterdrückung wahren Nutzen bringen; in deutlichen Beispielen zeigt die Geschichte früherer und neuer Zeit, wie von einem herrschenden Volke geübte Unterdrückung ihm selbst wenig fruchte, wie im Gegentheil der Unterdrückte, indem er selbst in den Geist der unterdrückten Nation hinübergeht, dort ändernd und verderbend eingreifen und sogar zum


  1. Vorlage: Werrk
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_473.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)