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die Leibeigenschaft aufzuheben; menschlich gesinnte Gutsbesitzer beseitigten bekanntlich aus freiem Entschlusse schon früh jenes schmachvolle Einrichtung. Wenn sie nun auch damals noch nicht viel für die Medicinalpflege ihrer Leibeigenen verwandten, wie aus gutsherrlichen Schriften jener Zeit hervorgeht[1], so begegnen wir doch bald der Thatsache, daß die Verpflichtung zu öffentlicher Fürsorge für Hülfsbedürftige anerkannt und zum Theil auch für Geisteskranke durchgeführt wurde.

Die Nachrichten über das Vorkommen von Geisteskranken in früheren Zeiten sind wie erwähnt für Schleswig-Holstein besonders spärlich. Aus der Angabe, daß 1603 in Husum das Hochgericht nach dem „Narrenthal“ verlegt wurde[2], ist nicht zu schließen, daß an dieser Stelle Geisteskranke aufbewahrt wurden. Nach ähnlichen Bezeichnungen in andern Gegenden ist darunter eher eine Art von polizeilichem Gefängniß zu verstehen, in dem auffällige Individuen vorübergehend dem Spott des Pöbels ausgesetzt wurden[3].

Allgemeine gesetzliche Bestimmungen, die im Ganzen der Carolina nachgebildet sind oder aus dem Jütschen Low herüber genommen wurden, sind in einzelnen Stadt- und Landrechten zu finden.

Im Husumer Stadtrecht (1608 gegeben) heißt es Th. IV. Tit. 33, Art 1.: „Würde ein unsinniger Mensch einen entleiben, ist er darum nicht mit der ordentlichen Strafe der Todschläger zu belegen, sondern wird billig im Gefängnisse oder sonst mit Banden fleißig verwahrt; daferne aber seine nächsten Freunde von solcher Unsinnigkeit gute Wissenschaft und ihn in ihrer Gewahrsam gehabt und nicht fleißig vermahnet, sind sie wegen solcher Nachlässigkeit in Geldstrafe zu nehmen.


  1. Georg Hanssen, Die Aufhebung der Leibeigenschaft etc. in den Herzogthümern Schleswig und Holstein. St. Petersburg 1861, pag. 27.
  2. Beccau, Versuch einer urkundlichen Darstellung der Geschichte Husums. Schleswig 1854, pag. 156.
  3. Kriegk, Deutsches Bürgerthum im Mittelalter. Neue Folge. Frankfurt 1871, pag. 56.
Empfohlene Zitierweise:
Theodor Kirchhoff (Arzt): Die frühere Irrenpflege in Schleswig-Holstein
aus Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 20, S. 131-192, 1890
. Commissions-Verlag der Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1890, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_fr_schles-20_0145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)