Seite:Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure Band XIII Heft 12 1869 p743-744.png

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durch Verbesserung der Apparate bei der Dampfbodencultur und der Förderarbeit in den Bergwerken erzielt hat.

Zu den Apparaten, welche am meisten die weitere Verbreitung des Drahtseilbetriebes begünstigt haben, gehört die bekannte Fowler’sche Seilscheibe, welche leicht, ohne zu große Spannung des Seiles, die erforderliche Adhäsion desselben an der Scheibe hervorbringt und durch die Anordnung der Klappen und die von einander unabhängige Beweglichkeit derselben das Auf- und Ablaufen des Seiles ohne Stöße geschehen läßt.

Zur allgemeinen Einführung der Seilschifffahrt ist in Brüssel eine Aktiengesellschaft, die Sociétié centrale de touage gebildet, welche dieselbe nach den Constructionen zweier ihrer Mitglieder, der Herren Oscar de Mesnil & Max Eyth ausführt. Von dieser Gesellschaft ist die Strecke auf der Maas zwischen Lüttich und Ramur, das Eigenthum der Société anonyme de touage zu Lüttich, eingerichtet, und wurden dort am 4. und 5. Juni d. J. vor einer großen Anzahl von Maschinen- und Wasserbau-Ingenieuren aus den verschiedensten Ländern Versuche angestellt, welche die Anwendbarkeit der Seilschifffahrt klar darlegen sollten. Dieser Zweck ist denn auch erreicht worden, wenn auch die volle Leistungsfähigkeit des Betriebes nicht nachgewiesen werden konnte, da die Schiffer, welche fürchteten, daß bei den Proben die größte Geschwindigkeit entwickelt werden möchte, es vorzogen, ihre Fahrzeuge dem Versuchsdampfer nicht anzuvertrauen. Im Ganzen ergaben die Proben, daß der Seildampfer sehr ruhig arbeitete, Krümmungen im Flusse ohne merkliche Verminderung der Geschwindigkeit durchfuhr, daß das Seil ohne alle Stöße über die Scheiben ging und nach ca. 11/2jährigem Betriebe fast keine Spur von Abnutzung zeigte.

Ich will nun eine kurze Beschreibung der dortigen Strecke und der auf ihr verwendeten Dampfer geben, welcher noch einige Angaben über Details des Betriebes folgen mögen.

Die ganze 70 Kilometer lange Flußstrecke zwischen Lüttich und Ramur ist mit einem durchgehenden Seil von 25 mm äußerem Durchmesser belegt. Das Seil, mit ca. 41/4 pCt. Zugabe in der Länge, besteht aus 6 Litzen zu 7 Drähten, mit 2,8 mm Dicke, welche um eine Seele von getheertem Hanf gruppirt sind und wiegt pro laufenden Meter 2,25 Kilogrm. Die erste Hälfte desselben ungefähr ist verzinkt, der mittlere Preis für das gelegte Seil hat pro Meter 1,4 Francs betragen. Die Strecke enthält 11 Schleusen, durch welche das Seil ohne Unterbrechung hindurchgeführt ist. Zu diesem Zwecke ist an dem einen Flügel der Schleusenthore ein Schlitz von 400 mm Höhe und 30 mm Breite ausgespart, durch welchen das Seil hindurchgeht; das zuschlagende Thor führt das Seil immer von selbst in diesem Ausschnitt.

Von den auf der Maas in Anwendung stehenden Dampfern sind drei nach der oben erwähnten allgemeinen Anordnung mit zur Seite des Schiffes liegender Seilscheibe, der vierte ist mit horizontaler Seilscheibe construirt.

Der erste Dampfer, Fig. 1 und 2, Taf. XXV, hat eine Länge von 20 m, 4 m Breite, 2,20 m Höhe und 1 m Tiefgang. Derselbe ist von John Fowler & Co. in Leeds gebaut und hat eine 14pferdige liegende Maschine mit zwei Cylindern von 197 mm Durchmesser und 305 mm Hub. Die Dampfspannung beträgt 6,33 Kilogrm. pro Quadratcentimeter. Bei 70 Umdrehungen der Maschine erhält man durch Einrücken der verschiedenen Uebersetzungen eine Geschwindigkeit von 5 resp. 21/2 Kilometer pro Stunde. Da dieser Dampfer am längsten im Betriebe ist, so lassen sich von ihm genauere Betriebsresultate angeben, nach welchen die mittlere Leistung desselben 1000 metrische Tonnen in 6 bis 10 Schiffen mit einer Geschwindigkeit von 5 Kilometern gegen einen Strom von durchschnittlich 2,5 Kilometer Geschwindigkeit beträgt. Die höchste bis jetzt erreichte Last waren 1500 Tonnen in 10 Booten. Bei einem Versuche, welcher im vergangenen Winter angestellt wurde, als sämmtliche Wehre im Strom niedergelassen waren, ging der Seildampfer mit einer Last von über 400 Tonnen in drei Booten mit 21/2 Kilometer Geschwindigkeit gegen einen Strom, welchen der Personendampfer zwischen Lüttich und Seraing nicht mehr überwinden konnte.

Fig. 1, Taf. XXVI, zeigt die Anordnung der Seilscheiben genauer, und zwar ist dort die Construction dargestellt, welche auf dem später zu erwähnenden Dampfer von Beer angewendet ist. In der Mitte der Länge des Schiffes ungefähr liegt die Fowler’sche Seilscheibe a von 1,80 m Durchmesser, deren Welle durch Räderübersetzung von der Kurbelwelle aus getrieben wird. Zu beiden Seiten, um etwas mehr als den Halbmesser tiefer, liegen die beiden Führungsscheiben b, b von gleichem Durchmesser wie die Seilscheibe, deren Zapfen in Coulissen, welche unter ca. 45° geneigt sind, mittelst Spindel und Mutter auf- und abgeschoben werden können und für gewöhnlich so eingestellt werden, daß das Seil gut den halben Umfang der Fowler’schen Scheibe umfaßt. Bei dem Fowler’schen Dampfer geschieht das Abheben der Führungsscheiben durch mit Hebel versehene Excentriks, auf denen die Zapfen der Scheiben ruhen. Neben den großen Leitscheiben liegen noch Führungsrollen c, c, deren Achsen in einem durch Federn angedrückten Hebel liegen, und welche das Seil beim Angehen des Zuges etwas tiefer in die Rinne der Seilscheibe pressen. Am Vorder- und Hintertheile des Schiffes hängen vom Bord herab je eine Leitrolle von ca. 600 mm Durchmesser an einem Universalgelenk, um jeder Aenderung in der Lage des Seiles, welche durch Seitwärtsausweichen des Schiffes oder die veränderliche Stromtiefe hervorgebracht werden, folgen zu können. Ueber der Rolle ist eine Gabel angebracht, welche den oberen Rand der Scheibe nahezu berührt und ein Ausspringen des Seiles bei plötzlichen Richtungsänderungen verhüten soll.

An den beiden anderen Seildampfern dieses Systems ist die Anordnung der Apparate für Seilführung die gleiche, wie bei jenem ersten; sie unterscheiden sich außer der Anordnung der Maschinen hauptsächlich durch eine etwas größere Länge und durch die Hinzufügung einer Schraube, welche gestattet, bei der Thalfahrt den Dampfer unabhängig von dem Seil zu machen. Von den beiden in Rede stehenden Dampfern ist der eine (Nr. 4) von Beer in Jemeppe gebaut, mit einer 20pferdigen Maschine für den Seilbetrieb, deren beide Cylinder unter 45° geneigt, einander gegenüber stehen. Die Schraubenmaschine ist eine Thurmmaschine von 10 Pferden, welche mit ca. 350 Umdrehungen pro Minute eine Schraube von 900 mm Durchmesser in Bewegung setzt. Der zweite Toueur (Nr. 3) von der Gesellschaft Coquerill in Seraing gebaut, hat für den Betrieb der Seilscheiben ebenfalls eine 20 pferdige Dampfmaschine, deren unter 45° geneigte Cylinder neben einander liegen. Die 10 pferdige Schraubenmaschine ist eine Wandmaschine.

Empfohlene Zitierweise:
R. Ziebarth: Ueber Ketten- und Seilschifffahrt mit Rücksicht auf die Versuche zu Lüttich im Juni 1869. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Berlin 1869, Seite 743-744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_deutscher_Ingenieure_Band_XIII_Heft_12_1869_p743-744.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)