Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang Václav Tille: Das Märchen vom Schicksalskind | |
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Nachklang gefunden haben. Auch die russischen und finnischen Märchen zeigen deutliche Spuren einer volkstümlichen literarischen Überarbeitung der Thalassionlegende. Es wäre der Mühe wert, die europäischen Volksbücher nach dem Schicksalskind und der überseeischen Fahrt zu durchsuchen.
Unter den böhmischen Volksbüchern fand ich zwei Texte, welche, nach unbekannten, sichtlich literarischen Vorlagen zwei Varianten des mit der überseeischen Fahrt verbundenen Schicksalskindes wiedergeben und sich, soviel ich ermitteln kann, von allen bisher bekannten Texten deutlich unterscheiden. Dieselben sind nur in Neudrucken der Škarnielbuchdruckerei von Skalice (in der ungarischen Slowakei) erhalten. Ich lasse hier die beiden Texte in kurzen Auszügen folgen.
Rybrcol na Krkonoských Horách (Rübezahl in dem Riesengebirge, Neudruck aus dem Jahre 1876).
Rudolf kommt auf seiner Reise zu einem Fluss: der wilde, verzauberte Fährmann ersucht ihn, bei Rübezahl nachzufragen, wie lange noch seine Strafe dauern soll. Auf der weiteren Fahrt durchreist Rudolf drei Städte: in der ersten Stadt liegt eine unheilbar kranke Prinzessin, in der zweiten ist ein Heilbrunnen versiegt, in der dritten (Prag!) trägt ein Wunderbaum kein Heilobst mehr.
In der Nähe des Riesengebirges hört Rudolf von Rübezahl erzählen. Dieser hat die Gestalt eines fünfjährigen Knaben mit goldbefiedertem Haupt und ist mit einem weissen Hemdchen bekleidet. Soeben hat er seine Burg Kolešec auf sechs Tage verlassen, um seinen geliebten Papagei, welcher von einem Jäger gefangen wurde, zu befreien. Rudolf besucht die Burg Rübezahls, welche in der Mitte eines Teiches steht. Als er über die Brücke schreitet, drängen sich aus dem Wasser viele Fische zu der Brücke (es sind dies verzauberte Höflinge und Leute, welche sich der Burg nähern wollten). In der Burg empfängt Rudolf die Prinzessin Papilena und erzählt ihm ihre Geschichte: Rübezahl ist der Sohn des böhmischen Ritters Holdekron und einer sächsischen Gräfin. Die Hexe Medulina hatte ihn verzaubert, so dass er von seinem fünften Jahre an nicht mehr wuchs. Der Feind der Hexe, der mächtige Zauberer Trabison, hat ihn mit seinen GehilfenFritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_036.png&oldid=- (Version vom 6.5.2018)