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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

und Leibesübungen gaben dem Leben von hunderttausenden Proletariern einen neuen Inhalt und kamen zu ihrer großen Bedeutung in der gesellschaftlichen Entwicklung der Nachkriegszeit. Der Sport wurde zu einer Großmacht“[1].

Es ist bemerkenswert, wie stark die sozialistische Sportbewegung seit dem Weltkrieg zugenommen hat. In Deutschland, einem stark durchorganisierten Land, betrug die Mitgliederzahl des Arbeiter- Turnerbundes 1919 400 000 Mitglieder, 1927 über 700 000[2].

Auch die Mitgliederzahl der Sozialistischen Arbeiter-Sport-Internationale ist sehr stark gestiegen, und zwar von 370 000 im Jahre 1920 auf fast 2 Millionen im Jahre 1932; allein 1931 hat die SASI um 85 000 Mitglieder zugenommen.

Besondere Aufmerksamkeit muß den Grundsätzen gewidmet werden, welche in Italien auch auf sportlichem Gebiet herrschen. Hier ist die Verwendung der Freizeit nicht in erster Linie auf das Wohl des Individuums, sondern auf die Interessen des Staates bezogen. In einem Bericht über die Rolle des Sports in der Erziehungsarbeit der Dopolavoro, der zentralen Freizeitorganisation, wird gesagt[3]:

„Kaum zwei Jahre genügten für die Tätigkeit der ‚Dopolavoro‘, um bei den italienischen Arbeitermassen einen noch nie dagewesenen Enthusiasmus für alle denkbaren Sportarten zu entfalten. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß rd. 3 Millionen Personen an den verschiedenen sportlichen Veranstaltungen der ‚Dopolavoro‘ teilgenommen haben. Diese Einrichtung umfaßt hunderte von Unternehmungen gegründete Sportverbände, daneben unzählbare lokale Gesellschaften und neue Sportgruppen, die auf Veranlassung der regionalen und lokalen Organe der ‚Dopolavoro‘ gegründet wurden.“ (S. 332)

Neben einer Untersuchung der politischen und religiösen Einstellung der Sportvereine in den einzelnen Ländern wäre es interessant zu wissen, aus welchen Kreisen sich ihre Mitglieder rekrutieren, besonders wie groß die Teilnahme qualifizierter und unqualifizierter und andererseits die Anzahl der politisch und gewerkschaftlich organisierten und unorganisierten Mitglieder ist. Mit Bezug auf die Anzahl der Qualifizierten und Unqualifizierten muß jedoch im voraus berücksichtigt


  1. Paul Franken: Vom Werden einer neuen Kultur, Berlin 1930, S. 25 und 26.
  2. Einige andere Ziffern vom Jahr 1929, für die uns keine Vergleichszahlen bekannt sind, lassen wir noch folgen:
    Radfahrerbund „Solidarität“, Sitz Offenbach 251 620 Mitglieder
    Arbeiterschachbund, Chemnitz 13 000
    Freier Seglerverband, Berlin 1 616
    Arbeiter-Anglerbund, Berlin 5 890
    Deutscher Arbeiter-Keglerbund, Chemnitz 8 216

    nach C. Gellert: 10 Jahre Sozialistische Sport-Internationale, Leipzig 1930. Vgl. auch das bereits erwähnte Buch von Paul Franken.

  3. L’Activité de l’Opera Nazionale Dopolavoro, dem im Jahre 1930 in Lüttich abgehaltenen 1. internationalen Kongreß für die Freizeit vorgelegt
Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/259&oldid=- (Version vom 15.1.2023)