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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

und nachträglich, in dieser zweiten Etappe des Annäherungsverfahrens, schrittweise die bisher vernachlässigten Vermittlungen berücksichtigt und die konkreten Profitformen, wie sie in der empirischen Wirklichkeit sichtbar sind (Grundrente, Zins, Handelsprofit usw.), behandelt. Erst dadurch wird der Kreis der Marxschen Analyse geschlossen und der Nachweis erbracht, daß die Arbeitswerttheorie keine wirklichkeitsfremde Konstruktion ist, daß sie vielmehr tatsächlich das „Gesetz der Phänomene", d. h. die Grundlage bildet, die uns befähigt, die reale Welt der Erscheinungen zu erklären. Mit nicht mißzuverstekender Klarheit wird dieser methodologische Grundgedanke formuliert, wenn Marx sagt: ,,Wir hatten es in Buch I und II nur mit den Werten der Waren zu tun" . . . „ Jetzt“, d.h. im III. Buch, „hat sich der Produktionspreis als eine verwandelte Form des Werts entwickelt.“ (Kapital, III 1, S. 142). – „Die Gestaltungen des Kapitals, wie wir sie in diesem (dritten) Buch entwickeln, nähern sich also schrittweise der Form, worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in der Aktion der verschiedenen Kapitale aufeinander, der Konkurrenz, und im gewöhnlichen Bewußtsein der Produktionsagenten selbst auftreten.“

II. Der Widerspruch zwischen dem Wertschema und der Wirklichkeit.

Bildet somit, wie gezeigt wurde, die Reproduktion der konkreten Wirklichkeit im Wege des Denkens das Ziel der Marxschen Erkenntnis, dann ist auch die Funktion des Marxschen Reproduktionsschemas innerhalb der Marxschen Forschungsmethode klar zu erkennen: es beansprucht nicht, für sich allein ein Abbild der konkreten kapitalistischen Wirklichkeit zu sein, es ist nur ein Glied im Marxschen Annäherungsverfahren, das, zusammen mit den vereinfachenden Annahmen, die dem Schema zugrunde liegen, und den nachträglichen Modifikationen im Sinne einer progressiven Konkretisierung ein unzertrennliches Ganzes bildet. Dabei verliert jeder dieser drei Teile für sich allein, ohne die beiden anderen, für die Erkenntnis der Wahrheit jeden Sinn und kann nur ein vorläufiges Erkenntnisstadium, die erste Etappe im Annäherungsverfahren an die konkrete Wirklichkeit, bedeuten.

Ist man sich über diesen Charakter des Marxschen Reproduktionsschemas im klaren, weiß man, daß es nur ein Hilfsmittel unseres Denkens und keine Wiedergabe konkreter Vorgänge ist, dann kann man auch über den Charakter der einzelnen Elemente, aus welchen das

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/80&oldid=- (Version vom 11.5.2022)