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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

zu ihren Werten ausgetauscht. In einem Brief an Kugelmann vom 11. Juli 1868 geißelt Marx dann mit dem ihm eigentümlichen Sarkasmus die in der bürgerlichen Ökonomie oft vorkommende Verwechslung der theoretischen Annahme mit der Erfahrung. „Der Vulgarökonom hat nicht die geringste Ahnung davon, daß die wirklichen täglichen Austauschverhältnisse und die Wertgrößen nicht unmittelbar identisch sind.“

An unzähligen anderen Stellen in allen Banden des „Kapital" und in den ,,Theorien über den Mehrwert" wiederholt Marx immer wieder, daß die Waren in der Wirklichkeit nicht zu ihren Werten, sondern zu Produktionspreisen verkauft werden, wobei ,,die Produktionspreise der meisten Waren von ihren Werten . . . abweichen müssen" (Mehrwert, III, S. 92). Eben deshalb polemisiert er gegen die Ricardosche Behauptung, daß die Waren zu ihren Werten verkauft werden: ,,Das ist die erste falsche Voraussetzung . . . Die Waren tauschen sich nur ausnahmsweise aus zu ihren Werten'“ (Mehrwert, II 1, S. 191). Und A. Smith gegenüber wird gesagt: – ,,Wie ich später nachweisen werde, selbst der Durchschnittspreis der Waren ist stets von ihrem Werte verschieden" (Mehrwert, I, S. 162).

Was hier vom Wert gesagt wurde, gilt auch vom Mehrwert. Im Reproduktionsschema haben wir zwar Mehrwerte, nicht aber in der Wirklichkeit. Denn Mehrwert ist das ,,Unsichtbare“, wahrend in der Realität des Kapitalismus nur verschiedene Profitformen wie Unternehmergewinn, Zins, Handelsprofit, Grundrente vorkommen. Die in jeder Produktionssphäre des Schemas dargestellten Mehrwerte sind daher nur vorläufige Annahmen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Dasselbe gilt endlich in bezug auf die im Schema sichtbaren Profitraten. In einem auf Werten aufgebauten Reproduktionsschema, also unter Annahme, daß die Waren zu ihren Werten verkauft werden, müssen in jeder Abteilung des Schemas verschiedene Profitraten bestehen, während doch die Erfahrung eines konkurrenzbedingten kapitalistischen Systems zeigt, daß in der Wirklichkeit eine Tendenz zur Ausgleichung der verschiedenen Profitraten in den einzelnen Sphären zu einer allgemeinen, d. h. Durchschnittsprofitrate herrscht, was schon im Begriff des Produktionspreises eingeschlossen ist: „Dasein und Begriff des Produktionspreises und der allgemeinen Profitrate, die er einschließt, beruhen darauf, daß die einzelnen Waren nicht zu ihren Werten verkauft werden“ (Kapital, III, 2, S. 293), wie umgekehrt „die bloße

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/82&oldid=- (Version vom 11.5.2022)