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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

– wie ich an anderer Stelle gezeigt habe [1] – , in überschwenglichster Weise zu verherrlichen, man schreibt ihm eine „objektive, gesellschaftliche Existenz“ zu und erblickt in ihm ein exaktes Abbild des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, so daß aus den Verhältnissen des Reproduktionsschemas unmittelbar Schlußfolgerungen über die Vorgange in der kapitalistischen Wirklichkeit gezogen werden! So sagt z. B. Rosa Luxemburg: „Wir haben uns zu fragen, welche Bedeutung das analysierte Schema des Reproduktionsprozesses fur die Wirklichkeit hat“ (Akkumulation des Kapitals., S. 76). Ihre Antwort geht dahin, daß die exakten Proportionen des Marxschen Schemas die „allgemeine absolute Grundlage der gesellschaftlichen Reproduktion“ bilden, und zwar sowohl für die kapitalistische, als auch für die sozialistische, überhaupt jede planmäßige Produktion! (1. c. S. 56, 75, 103.) In einer planmäßig geleiteten sozialistischen Wirtschaft würde die Produktion exakt den Schemaverhältnissen entsprechen. „In der kapitalistischen Wirtschaft“, sagt Rosa Luxemburg weiter, „fehlt jede planmäßige Organisation des Gesamtprozesses. Deshalb (! H. G.) geht in ihr auch nichts so glatt nach der mathematischen Formel, wie es im Schema aussieht. Der Kreislauf der Reproduktion verläuft vielmehr unter ständigen Abweichungen von den Verhältnissen des Schemas“ (1. c. S. 76).  - „Bei all diesen Abweichungen jedoch stellt das Schema jenen gesellschaftlich notwendigen Durchschnitt dar, um den sich jene Bewegungen vollziehen und dem sie immer wie der zustreben, nachdem sie sich von ihm entfernt haben“ (l. c.S.77). 

Nicht anders verhalt sich die Sache bei Otto Bauer. Auch bei ihm stellt schon das Wertschema jenen ausgeglichenen Gleichgewichtszustand zwischen Kapitalakkumulation und Bevölkerung dar, um welchen der Kreislauf der wirklichen Reproduktion oszilliert. Die Wirklichkeit zeigt zwar ständige zyklische Abweichungen vom Gleichgewichtszustand des Wertschemas, indem der Produktionsapparat im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum eine Überakkumulation oder Unterakkumulation aufweist. Zugleich aber besteht in der kapitalistischen Produktions weise eine Tendenz, welche – wenn auch „durch Vermittlung großer Krisen" – ,,selbsttätig Überakkumulation und Unterakkumulation aufhebt, die Akkumulation (1. c. S. 77).

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/95&oldid=- (Version vom 12.5.2022)
  1. Die Goldproduktion im Reproduktionsschema von Marx und Rosa Luxemburg. 1.c.S. 153ff.