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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang
Frau Adler sen., Rose, Fr. Adler, Anna Veckenstedt: Sagen aus der Provinz Sachsen II

dass man zu Butter und Käse griff, sah der eine von den Taufgästen, wie die alte Bäuerin plötzlich hinter den Ofen ging und darauf mit einem Butterstück wieder hinter demselben hervortrat. Das Stück Butter war noch nicht angeschnitten. Bevor es die alte Frau auf den Tisch setzte, machte sie drei Kreuze darüber. Daran merkte der Taufgast, dass dieses Butterstück vom Kobold sei und dass die alte Frau die drei Kreuze darüber gemacht hatte, damit niemand merke, dass man ihnen Koboldbutter vorsetze. Er griff nun wohl auch darnach und schmierte sich davon eine Stulle, aber als er davon abbiess, kam ihm der Gedanke wieder in den Kopf, dass er Butter essen solle, welche der Kobold ausgekelkst hatte. Da blieb ihm der Happen in der Kehle stecken: er würgte und würgte daran herum, aber es war vergeblich, der Happen rutschte nicht hinunter: er kam in die Gefahr zu ersticken. Endlich gab er den Happen wieder von sich und hütete sich, von der Koboldbutter wieder zu essen.

Frau Adler sen.     


VI.

In einem Dorfe bei Zerbst lebte ein Bauer, welcher sehr wohlhabend war und dabei alle Jahre reicher wurde. Obgleich er gar nicht viel Acker und Wiesen hatte, so war doch seine Scheune stets mit Korn gefüllt und alle Böden über den Ställen waren voll Futter. Dabei gedieh das Vieh auf dem Hofe und der Bauer konnte mehr fette Kühe verkaufen, als die andern Bauern alle zusammengenommen. Darum merkten die Bauern im Dorfe, dass auf dem betreffenden Gehöft der Kobold sein müsse, welcher dem Bauer alles zutrage.

Eines Tages nun geschah es, dass auf das Gehöft des Nachbars von diesem Bauer eine fremde bunte Katze kam. Da sich der Kobold oft als Katze zeigt und niemand das Tier kannte, welches auf dem Gehöft des Bauers war, so dachte sich dieser, die Katze müsse der Kobold des reichen Bauern sein, der auf sein Gehöft gekommen sei. Das schien ihm eine günstige Gelegenheit zu sein, den reichen Bauer um sein Glück zu bringen. Er machte sich daran, die Katze zu fangen, und als ihm das glücklich gelungen war, steckte er sie in einen Sack, welchen er schon dazu bereit gehalten hatte. Darauf rief er sein ganzes Gesinde herbei und sagte den Leuten, was er für einen Fang gethan habe. Nun wurde der Sack fest zugebunden, dann warf ihn der Bauer mitten auf den Hof hin und nun schlug alles mit Dreschflegeln, Knüppeln und dicken Stöcken auf die Katze los, bis sich nichts mehr im Sacke rüppelte und regte.

Als die Katze tot war, ging der Bauer mit dem Sack nach dem Mist und schüttelte ihn dort aus. Da lag nun die Katze tot da und alle freuten sich, dass es nun mit dem Glück des reichen Bauers vorbei wäre. Darauf gingen alle wieder an ihre Arbeit. So mochte etwa eine Stunde vergangen sein. Der Bauer wollte nach der Scheune gehen und kam dabei an dem Mist vorbei. Wer beschreibt aber sein Erstaunen, als er sah, dass die Katze verschwunden war! Da merkte er

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_077.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)