Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 188.png

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Als der Prinz das vernommen hatte, war er hoch erfreut, von seiner Gemahlin wieder etwas zu hören. „Gut“, sagte er also, „ich werde alles thun, wie du mir gesagt hast.“

Noch bevor es dämmerig wurde, war der Prinz unter das Bett gekrochen, und kaum sass der Kuckuck auf den Schultern der Zauberin, so kam der Prinz unter dem Bett hervor und erfasste den Vogel. Alsobald verwandelte sich dieser in einen Fisch. Der Prinz griff nach der Flosse des Fisches, aber da er zu wenig fest zugegriffen hatte, so entwand sich der Fisch dem Griff und war plötzlich verschwunden.

Da überkam den Prinzen eine tiefe Trauer. Als die Zauberin das sah, tröstete sie ihn, so gut sie konnte. Sie erzählte dem Prinzen, dass sie noch eine Schwester habe, welche älter wäre als sie selbst. Dieselbe wohne weit in das Land hinein in einer ähnlichen Waldhütte, wie sie selbst, er möge sich dorthin begeben.

Der Prinz machte sich auf den Weg und zog dorthin. Als er nach langer Wanderung die Waldhütte gefunden hatte, trat er bei der Zauberin ein. Dieselbe wusste schon alles und gab dem Prinzen dieselben Vorschriften, wie die erste Zauberin gethan hatte. Es kam nun auch alles so, wie das erste Mal. Der Prinz erfasste den Vogel, dieser verwandelte sich in einen Fisch, diesmal fasste der Prinz die Flossen fest und nun verwandelte sich der Fisch in eine Schlange. Als der Prinz die Schlange sah, erschrak er – da war die Schlange auch schon verschwunden.

Der Prinz ward wieder sehr traurig, aber die Zauberin tröstete denselben, und schickte ihn zu ihrer ältesten Schwester, welche die grösste Zauberin von ihnen war.

Nach langer Wanderung fand der Prinz auch diese Zauberin und erhielt von ihr dieselbe Anweisung. Diesmal gelang es dem Prinzen, Vogel, Fisch und Schlange festzuhalten und schliesslich auch die Spindel zu zerbrechen. Sobald dies geschehen war, stand die junge Frau in ihrer ganzen Schönheit vor ihm da. Hocherfreut schloss der Prinz sie in seine Arme, dann dankten beide der Zauberin vielmals und kehrten darauf an den Hof des Königs zurück. Da übertrug der König dem Prinzen die Herrschaft, dieser aber lebte mit seiner jungen Gemahlin in einer langen und glücklichen Ehe als König eines schönen und reichen Landes.

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_188.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)