Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 410.png

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die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand von jenen Forschern gelenkt würde, denen ein ausgedehnteres Wissen zur Verfügung steht.

Überall trifft man, wie oben bemerkt, in den Volksüberlieferungen die Sagen von den höhlenbewohnenden Zwergen. So spricht Homer von den Myrmidonen – also den kleinen Menschen – der Insel Ägina: Aristoteles und Philostratos sagen, dass die Pygmäen in Erdlöchern wohnten. Der Stagirit behauptet, dass das, was man von den Pygmäen berichtet, auf Wahrheit beruht. Ktesias, Plinius der Ältere, Pomponius Mela behaupten, dass dieselben der Wirklichkeit angehören. Der heilige Augustin, der heilige Hieronymus sowie mehrere Kirchenväter stellen die nämliche Thatsache fest. Diodor von Sicilien und Strabo erzählen, dass man in verschiedenen Teilen von Afrika auf eine Rasse von sehr kleinen Menschen stiess.[1] Leonhard Thurneisser und Gesner sagen, dass gewisse Höhlen in Thüringen von einer Zwergrasse bewohnt waren. In den Nibelungen bewacht der Zwerg Alberich den geheimnisvollen Schatz. Im Süden Frankreichs, in der Gascogne, werden die Höhlen, wie M. J. F. Bladé bemerkt, von zottigen Menschen und gehörnten Zwergen bewohnt. Im Norden Europas ist derselbe Glaube vorhanden. Man findet dort Hexenlöcher und Trollgrotten. Es hat sich die im Volke noch jetzt lebende Überlieferung von den Höhlenzwergen erhalten. Derselbe Glaube findet sich in Deutschland und in England wieder. Georg Agricola (De mineral. subterran.), welcher das Wesen der Minen, der Metalle und die Art, wie dieselben aus der Erde gewonnen werden, mit Sachkenntnis behandelt hat, unterscheidet, wie Dom Calmet bemerkt, zwei oder drei Arten von Geistern, welche sich in den Minen zeigen; die einen haben das Ansehen von gebeugten Greisen und sind wie die Bergleute gekleidet; das Hemd ist aufgestreift, um die Hüften tragen sie einen Lederschurz; andere thun – oder es scheint, dass sie das thun – was sie die andern thun sehen; sie sind fröhlicher Natur, thun niemand etwas zu leide, aber von ihren Arbeiten kommt nichts zum Vorschein, was der Wirklichkeit angehört.[2]

Die Zwerge der Bretagne, die Bergmännchen Deutschlands hält man, wie Alfred Maury sagt[3], für äusserst geschickt in der Kunst, die Metalle zu bearbeiten. Nach der ungünstigen Ansicht, welche man von ihnen hat, gelten sie bei den Bretagnern, den Gälen wie den Irländern für Falschmünzer; tief im Innern der Grotten in den Seitenabhängen der Berge haben sie ihre verborgenen, geheimnisvollen Werkstätten. Dort schmieden sie, oft mit Unterstützung der Elfen und anderen Wesen der Art, härten und damascieren sie jene furchtbaren Waffen, welche sie den Göttern geben und zuweilen den Sterblichen verleihen. Einer von diesen Schmieden, Wieland oder Velent, welcher bei den Zwergen im Berge Kallowa in Lehre gewesen war, hat sich den weitesten Ruf erworben. Sein Name war von Skandinavien nach Frankreich gewandert und hatte sich in Galant umgewandelt, welcher Durandal geschaffen, das Schwert Karls des Grossen


  1. Man weiss jetzt, dass gewisse Stämme in Zentral-Afrika von sehr kleiner Gestalt sind.
  2. Abhandlungen über die Geistererscheinungen. I p. 248.
  3. A. Maury, die Feen des Mittelalters. p. 81–82.
Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_410.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)