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von einem festen Punkte, also mit vollständigem Effect, ganz ähnlich dem Zuge beim Warpen von Schiffen innerhalb eines Hafens. Zu diesem Zwecke wird eine Kette in der Richtung des Flusslaufes auf das Bett desselben versenkt und an beiden Enden gehörig befestigt. An dieser Kette zieht sich nun ein Dampfschleppschiff (Toueur) vermittelst einer Dampfmaschine entlang.

Bei den älteren Toueurs lief die Kette über einige an der Seite des Schiffsgefässes angebrachte Kettentrommeln hinweg, was bei angehängter grösserer Last ein seitliches Herabdrücken des Toueurs, und bei eintretenden Hindernissen ein bedeutendes Schwanken desselben veranlasste, weshalb bei den später aufgestellten Toueurs hiervon abgegangen worden ist.

Die Toueurs, welche auf der Seine gehen, haben eine im allgemeinen gleiche Construction, welche mit der nachfolgend beschriebenen und als gut anerkannten nahezu übereinstimmt. Dieses Fahrzeug, „La ville de Sens“ genannt, geht auf der oberen Seine von Paris bis Montereau. Seine Länge beträgt 127 Fuss, seine Breite 22 Fuss bei 5 bis 7 Fuss Höhe unter Deck. Dasselbe besteht ganz aus Eisen, hat einen platten Boden und bei gewöhnlicher Lage der Kette eine Einsenkung von 16 Zoll. Der mittlere Theil des Verdecks ist etwas gehoben, um der darunter stehenden Dampfmaschine genügenden Raum zu gewähren. Der vordere und hintere Theil des Schiffes sind ganz gleich construirt und bilden Kreissegmente, die Seiten desselben sind dagegen gerade und parallel liegend. An beiden Enden des Schiffes sind Steuerruder angebracht, welche je durch ein etwas seitwärts auf Deck stehendes Steuerrad und eine Uebertragung durch Ketten bewegt werden.

Zum Betriebe der Dampfmaschine sind zwei Röhrenkessel mit innerer Feuerung, jeder mit einer Dampfhaube und Schornstein versehen, ziemlich entfernt von einander und an entgegengesetzten Seiten neben der Mittellinie des Schiffes, aufgestellt, damit die Kette in der Längenaxe des Toneurs frei über das Verdeck gelegt werden kann.

Die Kette wird über zwei starke Kettentrommeln, die in der Mitte des Schiffes und über Deck auf eisernen Wellen in 8 Fuss Entfernung von Axe zu Axe befestigt sind, fünfmal umgeschlungen, zu welchem Behufe die einen Meter im Durchmesser haltenden, und 23 Zoll breiten Trommeln durch eiserne Scheiben in 5 Führungen getheilt sind. Eine weitere Befestigung der Kette findet nicht statt, da die Reibung in allen Fällen genügt. Die Trommeln haben die Eigenschaft der Betemcourt'schen, wonach ein Feuern der Kette niemals stattfinden kann, auch sich dieselbe hinterwärts lose niederlegt.

Zur weiteren Führung der Kette ist beiderseits der Trommeln in der Richtung der Längenaxe des Schiffes je eine Rinne in geneigter Lage aufgestellt, die etwa 10 Fuss von den Enden des Schiffes endigt. Die Fortsetzung derselben bis circa 3 Fuss über das Schiff hinaus, bildet eine um einen festen Zapfen horizontal bewegliche Rinne. Dieselbe läuft auf 2 kleinen Rollen über eine im Kreisbogen auf die Kante des Decks gelegte Schiene, und enthält, ausser mehreren verticalen und einer kleinen horizontalen Führungsrolle, an dem über Wasser liegenden Ende eine grössere Rolle, über welche vorn am Schiffe die Kette aus dem Wasser emporgehoben und hinten am Schiffe in dasselbe wieder fallen gelassen wird.

Der Winkel, um welchen sich diese bewegliche Rinne (Ausleger) drehen kann, beträgt etwa 30 Grad, es wird somit der Toueur seine Lage bis zu einem Winkel von 15 Grad gegen die Richtung der Kette ändern können.

Als Motor dient eine Dampfmaschine mit zwei schräg und festliegenden Cylindern von 35 bis 40 Pferdekräften. (Auf der unteren Seine sind auch Dampfmaschinen bis zu 50 Pferdekräften zur Anwendung gekommen.) Dieselbe arbeitet bei einer Dampfspannung von 5 Atmosphären mit variabler Expansion und Condensation.

An der Dampfmaschinen-Welle, welche nach einer Seite verlängert ist, befinden sich zwei verschiebbare Räder, die jedes, je nachdem sie eingerückt sind, ein auf den darüberliegenden Trommelwellen befestigtes Räderpaar treiben. Das erste, kleinere Rad hat zu den grösseren getriebenen Rädern ein Verhältniss von 79:115, das zweite, grössere zu dem kleineren ein solches von 100:93. Da die Maschine im ersten Fall und bei der Bergfahrt 42 bis 43, dagegen bei der Thalfahrt bis 58 Umgänge macht, so stellt sich die Geschwindigkeit des Toueurs bei der Bergfahrt auf die Hälfte derjenigen bei der Thalfahrt. Gewöhnlich beträgt erstere 4 bis 5 Fuss, letztere 8 bis 10 Fuss pro Secunde. Es ist hierbei zu bemerken, dass wenn die Maschine der angehängten Last entsprechend stark ist, diese Geschwindigkeit auch in den verschiedenen Strömungen eines Flusses dieselbe bleibt, worin ein grosser Vorzug der Touage vor der Dampf-Schleppschifffahrt liegt.

Die Kette ist eine gewöhnliche Muschelkette, deren Schaken 31/2 Zoll lang sind und eine Eisenstärke von 3/4 Zoll haben. Der laufende Fuss hiervon wiegt 7 Pfund. Soll die Kette auf den Toueur auf- oder abgelegt werden, so wird an der Hauptkette eine andere Hülfskette, „Zaum" genannt, befestigt, an welche sich der Toueur mit seiner vollen Last hängt, so dass die Hauptkette lose wird und auf die Trommeln geschlungen resp. abgehoben werden kann. Auch in Fällen, wo ein längeres Stillliegen des Toueurs nöthig ist, wird derselbe an seinen Zaum gelegt, und hierdurch die Maschine entlastet.

Das Auf- und Ablegen der Kette erfordert aber stets einen ansehnlichen Zeitaufwand, und da die nur mit einseitigem Auflager versehenen Trommelaxen stark leiden, so ist in neuerer Zeit bei den Toueurs auf der unteren Seine von dem Ablegen der Kette Abstand genommen, wodurch es möglich wird, den Trommelaxen beiderseits der Trommel Lager zu geben, wenn nun auch der Toueur auf Dauer an der Kette liegen bleiben muss.

Findet ein Bruch der Kette statt, was bei der erfahrungsmässig geringen Abnutzung nur bei Unfällen eintritt, so wird ein neues Glied, welches zur Seite offen ist und mit einem kleinen Bolzen geschlossen wird, eingesetzt.

In neuerer Zeit sind die Seine, Oise, Marne und mehrere andere schiffbare Flüsse Frankreichs durch eingelegte bewegliche Wehre, neben welchen Schleusen errichtet sind, canalisirt worden, und vornehmlich auf diesen wird die Touage betrieben. Da nun die Kette durch die Schleusen nicht gelegt werden kann, so hat sich dort ein ganz besonderer Betrieb der Touage ausgebildet. Die Kette ist am Ufer des Obercanals einer Schleuse befestigt, und ohne Unterbrechung im Flusse entlang bis zum Untercanale der nächst oberhalb gelegenen Schleuse geführt, woselbst sie ebenfalls am Ufer befestigt ist. Der Toueur, welcher an dieser Kette liegt, hat nur allein eine solche zwischen zwei Schleusen liegende Strecke zu befahren, und da die Strecken nicht lang sind, so ist dieser eine Toueur selbst für eine grosse Zahl von Schiffen, welche sich der Touage bedienen, genügend.

Die Schiffe, welche durch die Schleuse zu Berg gehen, sammeln sich und werden an den Toueur so angehängt, dass das grössere Schiff die erste Stelle einnimmt, welches mittelst starker Taue auf beiden Seiten der Vorderkaffe[WS 1] an den hinteren Theil des Toueurs befestigt wird. Ausserdem findet noch eine Befestigung über Kreuz statt. An dieses erste Schiff wird

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Kaffen sind auf dem Kiel sitzende, breit verarbeitete Stevenbretter, die die Form von Vorder- und Hinterende des Kahns bestimmen". (Schmitz, Brandenbg. Sprachlandschaft, 1981)
Empfohlene Zitierweise:
G. Erbkam (Hrsg.): Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin: Protokoll vom 10. November 1863. Verlag von Ernst und Korn, Berlin 1864, Seite 301/302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_das_Bauwesen_1864_S300-304.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)