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in ganz gleicher Weise das zweite, an dieses das dritte u. s. f. angehängt, so dass bei Zügen von 9 bis 10 Schiffen, und bis gegen 60000 Ctr. Ladung, der ganze Zug 80 bis 100 Ruthen lang ist, und sehr starke Zugstränge der ersten Schiffe erfordert werden, indem sie die ganze Last der nächstfolgenden auszuhalten haben. Die Schiffe, welche unterwegs abgelegt sein wollen, werden zuhinterst dem Abgange entsprechend rangirt. Die Entfernung der Schiffe unter sich beträgt gegen 100 Fuss.

Ist ein solcher Zug bis zur nächsten Schleuse gebracht, so geht der Toueur an der Kette meist leer zurück, denn obgleich die Strömung auf den gestauten Strecken der Seine kaum 11/2 Fuss pr. Sec. beträgt, mithin das Schleppen zu Thal durch den Toueur vollkommen sicher ausführbar ist, so machen die Schiffe doch selten hiervon Gebrauch.

Ist der Verkehr ein bedeutender, so dass ein Toueur ihn nicht bewältigen kann, oder die Strecke sehr lang, so gehen auch wohl zwei Toueurs an einer Kette, die aber stets einer Gesellschaft angehören. In diesem Falle legt sich beim Begegnen beider Toueurs der zu Berg gehende an seinem Zaume fest, der zu Thal kommende lässt sich dagegen an seinem Zaume bis in die Nähe des ersteren herabsacken, und übernimmt sämmtliche Schiffe desselben, worauf der erstere leer zu Thal, der andere aber mit dem Anhange zu Berg seine Fahrt rückwärts fortsetzt.

In dem unter dem Bastilleplatz und dem angrenzenden Boulevard liegenden nahe 1/4 Meile langen Tunnel des Canals St. Martin versieht ebenfalls ein Toueur den Schleppdienst. Bei den geringen Dimensionen dieses Tunnels darf ein Begegnen von Schiffen nicht eintreten, weshalb das Abfahren des Toueurs jedesmal durch telegraphische Signale angezeigt wird.

Durch die angegebene Art der Befestigung der angehängten Fahrzeuge bildet der ganze Zug eine ziemlich steife Masse, in welcher die einzelnen Schiffe ihrem Steuer nur in sehr geringem Maasse folgen können. Auch der Toueur, welcher bei der grossen in gerader Linie hinter ihm hängenden Last in sehr gestreckter Richtung gehalten wird, folgt seinem Steuer nur ganz unbedeutend. Soll daher einem begegnenden Fahrzeuge ausgewichen oder eine Flusskrümmung durchfahren werden, in welcher der Toueur immer zur Tangente des von der liegenden Kette gebildeten Bogens geführt werden, also eine schräge Stellung zur Kette annehmen muss, so lässt sich dieses nicht allein durch die Stellung des Steuerruders bewirken, es muss vielmehr dabei durch Nachlassen des entsprechenden Seitentaues, womit das erste Schiff an den Toueur befestigt ist, zu Hülfe gekommen werden. Geschieht dieses nun öfters, und zwar je nach den Umständen bald rechts bald links, so entfernt sich das erste Schiff und mit ihm der ganze Anhang immer weiter vom Toueur, was ein nicht geringer Uebelstand ist. Eine grössere Ausweichung als die doppelte Breite des Toneurs soll übrigens nicht möglich sein.

Durch die Schwere der auf mehrere hundert Fuss gespannten und im Wasser frei schwebenden Kette sowohl, als auch durch das Aufheben derselben auf den Toueur, ruht auf dem Vordertheile des Fahrzeuges eine bedeutende Last, die sich ansehnlich vermehrt, wenn der Fluss an Tiefe, zufolge derer die Kette auf eine grössere Länge gespannt und der Kettenbogen grösser wird, zunimmt. Es wird daher bei Flüssen von grosser Tiefe entweder die Kette auf seichtere Stellen zu legen, oder das Fahrzeug stärker zu bauen sein.

Der Tarif für das Schleppen der Fahrzeuge, welcher von der Regierung festgestellt wird, ist den Verhältnissen entsprechend ein verschiedener. Durch Paris, woselbst die Ufer der Seine dicht mit Wasch-, Bade- und anderen Schiffen besetzt sind, ist jede Concurrenz durch einen Leinenzug vom Ufer aus ausgeschlossen, und da hier auch einige Strömung stattfindet, muss das hohe Schlepplohn von 0,7 Pfennig pro Centner und Meile gezahlt werden, weshalb diese Gesellschaft rentable Geschäfte macht. Anders ist es z. B. auf der Strecke von Conflans bis St. Denis, woselbst der Canal gleichen Namens nach Paris abgeht. Hier ist der Tarif pro Centner und Meile zu Berg auf 0,4 und zu Thal auf 0,1 Pfennig festgestellt. Diese Strecke bringt selbst bei ansehnlichem Verkehr kaum die Zinsen auf.

Ein Toueur von 35 Pferdekräften und dieser Bauart kostet 15000 Thaler, von 50 Pferdekräften aber 50000 Thaler, und eine Meile Kette 20000 Thaler.

Man geht jetzt damit um, auch auf deutschen Strömen, namentlich auf dem Rheine und der Elbe, die Kettenschlepperei einzuführen. Auf dem Rheine beabsichtigt man zunächst, eine Kette von Ruhrort bis Coblenz zu legen, indem auf dieser Strecke der Schiffsverkehr und der Bergtransport der Steinkohlen ein sehr bedeutender ist. Die geringe Fähigkeit zum Ausweichen wird hierbei wohl einige Schwierigkeit bereiten, die auf den französischen Flüssen nicht hervortritt, indem dort der Dampfschleppdienst und die grossen Flössereien gar nicht ausgeübt werden. Die Dampfschleppzüge auf dem Rheine erfordern nämlich eine Strombreite von 95 Fuss, und die grossen bis 240 Fuss breiten Holzflösse sogar von 300 Fuss. Es werden indessen auch diese Schwierigkeiten, wenn der Toueur, durch die jedem Flosse voraufgehenden Wahrschauen gewarnt, an den geeigneten Plätzen halten bleibt und das Floss dort passiren lässt, zu überwinden sein, allerdings wird hierdurch viel Zeit verloren gehen.

Jedenfalls werden die Toueurs grössere Kraft und die Kette grössere Stärke erhalten müssen, als bei der Touage auf der Seine. Für den Kohlentransport auf dem Rheine dürfte dieses Unternehmen von grosser Bedeutung werden, wenn auch die Frage offen bleibt, ob dasselbe die Dampfschleppschifffahrt, deren Tarif pro Centner und Meile je nach der Strecke schon jetzt zwischen 0,5 und 0,43 Pfennig beträgt, ganz zu verdrängen im Stande sein wird.

Herr Weishaupt machte darauf aufmerksam, dass bei allen Anstrengungen für einen wohlfeileren und besseren Wassertransport die Massenbeförderung, insbesondere der Transport der Kohlen auf grössere Entfernungen hin, bei unseren klimatischen Verhältnissen zum grossen Theile den Eisenbahnen verbleiben würde, indem die Wasserstrasse durch Frost und Eisgang oft Monate lang gesperrt und bei den Kohlen gerade während dieser Zeit die grösste Nachfrage sei, auch nach neueren Untersuchungen die Kohlen durch das Lagern sehr erheblich, einige Oberschlesische Sorten sogar bis 50[%], verlören. Durch den Eisenbahntransport sei aber die Möglichkeit gegeben, frische Kohlen zu beziehen und das Halten zinsenverzehrender und täglich an Werth verlierender Vorräthe zu vermeiden.

Empfohlene Zitierweise:
G. Erbkam (Hrsg.): Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin: Protokoll vom 10. November 1863. Verlag von Ernst und Korn, Berlin 1864, Seite 303/304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_das_Bauwesen_1864_S300-304.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)