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deren Stimmen im Voraus für ungiltig erklärt wurden[1]. Daran reihten sich regelmäßig bei den Königswahlen die Besprechungen (tractatus) über die allgemeine Lage der Dinge und die unter den gegebenen Verhältnissen geeignetste Person[2]; sodann schritt man zur Abstimmung[3] und darauf, wie bei den canonischen Wahlen, zur Vornahme der Electio.

Gerade diese Handlung ist in der Art, wie sie uns seit 1257 erwähnt wird[4], sicherlich den kirchlichen Wahlgebräuchen

  1. Sie wird uns erst 1308 bei der Königswahl erwähnt. Vgl. dazu Harnack in Historische Aufsätze dem Andenken an Georg Waitz gewidmet, S. 373. Jetzt auch Lindner, Hergang S. 10.
  2. Sie sind wohl zu unterscheiden von den Verhandlungen vor dem Wahltage. Diese tractatus (deliberatio) werden auch bei kirchlichen Wahlen erwähnt, und zwar beziehen sie sich dort auch darauf, ob per scrutinium oder per compromissum gewählt werden soll. Vgl. z. B. die Urkunden in den Mittheilungen aus dem vaticanischen Archive [AV.] Bd. I. Nr. 54, 78, 268, 325 ff., dazu c. 19 X. I. 6 (1200) und die Arbeit von Mandagotto, II. Theil, Formular VII.
  3. Die Ausdrücke, die hiefür in den Wahldecreten der Könige gebraucht werden, und die wir auch schon zum Theil vor 1257 nachweisen können, sind durchwegs mit den kirchlichen Gebräuchen übereinstimmend. So z. B. vota dirigere, oculos nostros injecimus, intuitum convertentes, nominare. Scrutatoren wurden bei der Königswahl nicht ausgewählt, die 6 bevorrechteten Fürsten des Sachsenspiegels sind keineswegs, wie Mayer annimmt, mit diesem Amte betraut gewesen. Aus den Wahldecreten Heinrichs VII. und seiner Nachfolger ersehen wir, dass jeweils nur ein Kurfürst die Stimmen abnahm, und daran hält auch, im Gegensatze zum kirchlichen Rechte die goldene Bulle fest. Nur bei Friedrich dem Schönen wurde diese Abstimmung geheim vorgenommen. Vgl. dazu Bresslau a. a. O. S. 129 und Lindner, Hergang S. 14.
  4. Dies ist die Ansicht Bresslau’s, der jetzt auch von Schröder, RG. 3. Aufl. S. 469 und von Seeliger in Histor. Vierteljahrsschrift, Neue Folge. III. Jahrg. S. 514 Note 1 zugestimmt wird. Dagegen vermuthet E. Mayer a. a. O. S. 388, dass diese kirchliche Einrichtung schon am Anfang des Jahrhunderts bei der Königswahl eingebürgert war und beruft sich dabei auf die Beschwerdeschrift, die im Jahre 1202 von Deutschland aus gegenüber dem Vorgehen des päpstlichen Legaten Guido von Praeneste in Rom eingebracht wurde. Dieses Argument allein reicht aber zur Stützung von Mayer’s Ansicht keineswegs aus. Denn wer sagt uns denn, dass der Legat, indem er sich als Elector gerirte, nicht einfach das kirchliche Wahlverfahren vor Augen hatte. So enthält auch die auf den Hallenser Protest als Antwort ergangene Decretale „Venerabilem“ mit keinem Worte eine Andeutung, dass die Einrichtung kirchlicher Electoren bereits bei der deutschen Wahl Aufnahme gefunden habe. Und
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_170.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)