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von Schwerin und Havelberg schreiben, Wilhelm von Holland sei schon 1247 rechtmässig zum Könige gewählt worden, da dies von den Fürsten, quorum intererat, geschehen sei[1]. Aber daneben bestand auch eine andere Auffassung über die Sache, und sie wurde damals von einer Anzahl niedersächsischer Städte, an deren Spitze Lübeck genannt wird, geltend gemacht. Diese weigerten sich nämlich den Befehlen König Wilhelms von Holland Folge zu leisten, weil seine Wahl nicht rechtsgiltig zustande gekommen sei. Als Grund dafür gaben sie an, dass der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg derselben nicht zugestimmt hätten. In der That begehrte auch Wilhelm im Jahre 1252 eine nachträgliche Wahl von einigen Fürsten, die als eigentliche Königswähler galten, aber ihn vorher noch nicht gewählt hatten[2]. Es wurde daher damals in

  1. Urkundenbuch der Stadt Lübeck Bd. I. S. 168, Nr. 182.
  2. Hintze a. a. O. S. 48 ff., dazu Lindner KW. S. 130 ff., Seeliger in M. S. 79, 91 ff. Was die Worte „ad cautelam“ in dem Briefe des Cardinallegaten anbelangt, so vermuthet Rodenberg a. a. O. S. 27 Note 1, die beiden Wähler (Sachsen und Brandenburg) hätten eine Gewährleistung dafür empfangen, „dass durch die nachträgliche Wahl ihre Rechte, besonders wohl ihr Wahlrecht, nicht beeinträchtigt werden würde“. Diese Erklärung trifft m. E. die Sache nicht; denn nach der damals herrschenden Auffassung hätte es einer solchen Gewährschaft gar nicht bedurft. Das Wahlrecht war noch keineswegs ein auf die Ausübung in der ordnungsmässigen Wahlhandlung beschränktes Recht. Lindner und Seeliger fassen die cautela als Sicherung für das Königthum auf. Sachsen und Brandenburg hätten die Wahl Wilhelms, und zwar zur Sicherung der Stellung Wilhelms, nachträglich durch Wahl als giltig anerkannt. Der Ausdruck „ad cautelam“ im Munde eines geistlichen Legaten führt uns von selbst in die Sprache der kirchlichen Erlässe und da erscheinen diese Worte als terminus technicus. Das Kirchenrecht spricht von einer baptizatio ad cautelam, dispensatio accautelae etc. Es ist dies der Fall der bedingten Wiedertaufe, der bedingten Dispensation. Ist es zweifelhaft, ob eine vorgenommene Taufe giltig war, ob überhaupt eine solche bereits stattgefunden hat, oder ob im gegebenen Falle eine Irregularität vorliegt, dann wird die Taufe, die Dispens „ad cautelam“ ertheilt und es hat sich dafür eine eigene Formel entwickelt. Vgl. das dictum Gratiani nach c. 2 D. 68, dazu c. 24 X. III. 42; auch Hinschius, Kirchenrecht Bd. I. S. 58. So wollte der Legat auch hier nur betonen, dass die Nachwahl durch Sachsen und Brandenburg den Zweck hatte, die Giltigkeit der ersten Wahlhandlung,
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_181.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)