Seite:Zeitschrift fuer Rechtsgeschichte Germ. Abt. Bd 20 193.JPG

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Fragen wir nun, ob diese Lehren auch auf die für die deutsche Königswahl geltenden Rechtsnormen ihren Einfluss ausübten. Es wurde von verschiedener Seite behauptet[1], dass schon Papst Innocenz III. in den Verhandlungen nach der Doppelwahl von 1198 für die deutsche Königswahl ein völlig neues Princip aufgestellt habe, demzufolge auch bei ihr wie bei den canonischen Wahlen nicht Einstimmigkeit des Beschlusses gefordert, sondern die Bildung einer Majorität als hinreichend erachtet wurde. Nach eingehender Prüfung der einschlägigen Actenstücke wird man im Gegentheile zu dem Ergebnis kommen, dass wir es hier keineswegs mit einem planmässigen Vorgehen des Papstes behufs Aenderung des deutschen Wahlverfahrens zu thun haben. Es ist ja richtig, dass Innocenz III. in dieser Frage Grundsätze des canonischen Rechtes herangezogen[2], dass er die Königswahl nach Art der Bischofswahlen behandelt und die ihm von den beiden Parteien anvertraute Entscheidung über die Giltigkeit der Königswahl als ein Recht für sich in Anspruch genommen hat; aber sein Vorgehen war dabei doch ein äusserst vorsichtiges. Immer beruft er sich in erster Linie auf die Würdigkeit des Gewählten, und die Frage nach der Rechtmässigkeit der einen oder anderen Wahlhandlung tritt dabei mehr in den Hintergrund. In der bekannten Deliberatio wird das Mehrheitsprincip, das übrigens zu Gunsten Philipps gesprochen hätte, nur gestreift, indem der Papst erklärt, Philipp hätte die Mehrheit und die vornehmere Gruppe der Fürsten auf seiner Seite. Zu Gunsten

Ottos entschied er sich vorzüglich aus dem Grunde, weil er ihn für durchaus geeignet hielt, wobei freilich gemäss der

    in die „duae partes“ eingerechnet werden soll oder nicht. Dass „duae partes“ die Zweidrittelmajorität zu bedeuten haben, geht schon aus einer Stelle bei Ulpian und den sich daran anschliessenden Bemerkungen der Glossatoren hervor. Es ist dies 1. 3 D. 3. 4: „cum duae partes adessent aut amplius quam duae. Vgl. Gierke a. a. O. Bd. III. S. 221.

  1. Lorenz in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie Bd. 17. S. 181 ff., Schirrmacher, Entstehung des Kurfürstencollegiums S. 5 ff., Weiland in Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 20. S. 325 ff., endlich sehr ausführlich Harnack, Kurfürstencollegium S. 22 ff.
  2. Vgl. dazu v. Simson, Analecten zur Geschichte der deutschen
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_193.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)