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Gewalt heraus Verfügungen treffen, soweit er nicht durch Gesetz und Gewohnheit beschränkt war. Karl IV. hat die goldene Bulle als einseitiges kaiserliches Gesetz erlassen. Von einer Zustimmung der Kurfürsten oder anderer Reichsstände ist nicht die Rede, nur ihrer Anwesenheit und einer vorgängigen Berathung erwähnt der Eingang des Gesetzes, um dann um so nachdrücklicher hervorzuheben, dass das Gesetz de imperialis plenitudine potestatis erlassen sei, und die Hervorhebung der plenitudo potestatis des Kaisers als Grundlage des Gesetzes wiederholt sich bei den einzelnen Bestimmungen immer wieder. Auch die privilegia de non evocando und de non appellando, welche der Kaiser in c. XI ertheilt, beruhen, wie am Schluss ausdrücklich hervorgehoben wird, auf der kaiserlichen Machtfülle. Diese Auffassung war begründet in dem Wesen des deutschen Königthums; bestärkt und erweitert aber wurde sie durch die Aufnahme römischer Rechtsgedanken, welcher ja gerade Karl IV. starken Vorschub leistete. Soweit es die politischen Verhältnisse zuliessen, wird er gern den Grundsatz Justinians: tam conditor quam interpres legum solus imperator (Cod. I, 14, 12) durchgeführt haben.[1]

Dass Karl IV. sich das Recht der Interpretation einer Bestimmung seines eigenen Gesetzes, welche noch dazu ein Privileg enthielt, dessen Ertheilung sein unzweifelhaftes Recht war, beilegte, ist durchaus erklärlich; merkwürdig aber ist die Form, in der diese Interpretation verlautbart wurde: die Hinzufügung am Rande des am Kaiserhof aufbewahrten Exemplars der goldenen Bulle. Man kann das kaum als Publikation ansehen, sondern eher als Vorbereitung einer solchen. Man mochte das für genügend ansehen, um die Anwendung der in der Erläuterung enthaltenen Grundsätze

  1. Von gesetzlichen Bestimmungen über die Interpretation der Reichsgesetze, wie sie im westfälischen Frieden getroffen wurden, findet sich in jener älteren Zeit nichts; auch war sicher kein Bedürfniss dazu vorhanden. Uebrigens wurde im Instr. Pacis Osnabr. Art. V, § 56; VIII, § 2 das ausschliessliche Recht, die Reichsgesetze zu interpretiren, dem Reichstage zugewiesen, nicht im Gegensatze zu einem vom Kaiser, sondern im Gegensatze zu einem von den Reichsgerichten beanspruchten Interpretationsrechte.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Ueber einen Zusatz zu c. XI der goldenen Bulle Karls IV.. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1902, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_23_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)