Seite:Zeitschrift fuer Rechtsgeschichte Germ. Abt. Bd 36 279.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Vorschläge der Reichsverweser sollten von dem neuen König nochmals erneuert werden müssen? Der Wortlaut des Gesetzes scheint eine Bejahung dieser Frage zu verlangen, dann aber müßte man den Satz: que tamen per regem Romanorum postea electum suo tempore omnia innovari et de novo sibi iuramenta ipsa prestari debebunt auf alle zuvor aufgezählten Befugnisse der Reichsvikare erstrecken. Sollte der neue König auch das von einem Reichsvikar gefällte und vielleicht schon vollzogene Urteil nochmals wiederholen? Was hatte der Eid dabei zu tun? Sollte der neue König die vom Reichsverweser eingesammelten Steuern noch einmal eintreiben oder, weil dies in sich selbst widersinnig ist, noch einmal ihre Zahlung zugunsten der Reichskasse bestätigen? War dabei ein Eid zu leisten? Sollte der neue König einen Vorschlag für eine kirchliche Pfründe nochmals anbringen, ihn von sich aus gutheißen? Solches festzusetzen wäre der Ausdruck des Mißtrauens gewesen in den Gehorsam, den der Reichsverweser bei der Wahrnehmung einer ihm von Reichs wegen zustehenden Gerechtsame fordern konnte. Man denke den Fall eines Vorschlags von seiten des Reichsverwesers bei einem Bischof oder Generalvikar. Was sollte eintreten, wenn die angegangene Instanz dem Verlangen nachkam, den Vorgeschlagenen in die Pfründe einwies —, was sollte dann ein nochmaliger Vorschlag des Königs, was ein Eid, von dem nicht einmal feststand, wer ihn zu leisten hätte? Gewiß, der König mochte den Vorschlag erneuern, wenn der des Reichsverwesers noch keine Folgen gezeitigt hatte; er konnte ihn selbst umstoßen und durch einen eigenen ersetzen —, an diese Eventualität aber dachte der Gesetzgeber zu allerletzt. Nur darauf kam es ihm an, das Regelmäßige und in gehöriger Ordnung sich Vollziehende festzulegen, d. h. eben die Präsentation durch den Reichsvikar, für die er dieselben Folgen erwartete wie für die, die der gewählte König von sich aus vornahm. Der Vorschlag des Reichsverwesers war ebenso ein Ausfluß des Reichsrechts wie der des Königs. Ihm zu entsprechen war Reichspflicht des Bischofs bzw. des Generalvikars, mochte dieser sie erfüllen oder nicht. Alles zusammen läßt jenen Satz der Goldenen Bulle nur

Empfohlene Zitierweise:
Albert Werminghoff: Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1915, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_36_279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)