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jünger erscheinen.[1] Wichtiger noch ist für uns die andere Beobachtung, daß bis zum Jahre 1356, dem der Publikation der Goldenen Bulle auf den Reichstagen von Nürnberg (im Januar) und Metz (im Dezember), keine einzige Nachricht auf Handhabung jener kirchlichen Gerechtsame durch den einen oder den anderen der beiden Reichsvikare verweist, die ihnen im Reichsgesetz zugeschrieben wurde. Der Schluß, erst im Jahre 1356 sei sie ihnen übertragen worden, ist unbedingt unzulässig. Zunächst: der Mangel urkundlicher oder historiographischer Überlieferung kann damit zusammenhängen, daß für Präsentationen auf kirchliche Pfründen nicht regelmäßig formgerechte Urkunden ausgestellt wurden, weil ein empfehlendes Schreiben oder ein mündlicher Antrag als genügend angesehen werden mochte.[2] Sodann: das Recht der Präsentation zu kirchlichen Pfründen mußte den Reichsverwesern bereits vor 1356 deshalb zustehen, weil es aus der Gesamtheit ihrer Befugnisse ohne Zwang sich ableiten ließ, weil sein Fehlen im Kreis dieser Befugnisse eine Lücke gelassen hätte, die mit der Stellung ihrer Träger unvereinbar gewesen wäre. Der Pfalzgraf bei Rhein und der Herzog von Sachsen waren „verfassungsmäßige[3] Organe des Staates, berufen zur Ausübung einer an kein menschliches Subjekt geknüpften Staatsgewalt; sie waren provisores, vicarii imperii (nicht: imperatoris).“ Daraus folgte unmittelbar das Recht zu Vorschlägen für die Neubesetzung kirchlicher Pfründen, zu Vorschlägen, wie sie bei besetztem Throne der König in die Wege zu leiten hatte. Die Wahrnehmung dieses Rechtes war die eines Reichsrechtes; über Reichsrechte und Reichsgüter während eines Interregnums zu wachen, war Aufgabe des Pfalzgrafen bei Rhein und, wie unbedenklich hinzugefügt werden darf, des Herzogs von Sachsen. Kein Zweifel, wenn Rudolf von Habsburg (1273—1291) einmal bekundete: comes palatinus

  1. Vgl. H. Triepel a. a. O. S. 25 Anm. 5. S. 27 Anm. 2; s. auch O. Harnack, Das Kurfürstenkollegium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Gießen 1883) S. 82 ff. 85 ff. K. Zeumer a. a. O. I S. 33 ff.
  2. Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht III (Berlin 1883) S. 45 mit Anm. 2.
  3. H. Triepel a. a. O. S. 41.
Empfohlene Zitierweise:
Albert Werminghoff: Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1915, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_36_282.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)