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ließ bei landesherrlichem und staatlichem Patronat jene Frist überhaupt nicht laufen.[1] Gesetzt nun den Fall, eine dem Reichspatronat unterliegende Pfründe wurde aus welchem Anlaß immer ihres Inhabers zu einer Zeit beraubt, in der ein Interregnum bestand. Die Gefahr war dann vorhanden, daß ihre Neubesetzung an einen Bischof fiel, wenn der Königsthron länger als vier Monate unbesetzt blieb[2] und wenn während der königslosen Zeit niemand das Recht des Vorschlags wahrnahm. Um dieser Eventualität zu begegnen, um Minderungen der Reichsrechte gerade auf dem prekären Gebiet staatskirchlicher Beziehungen auszuschließen, lag es nahe, die Fähigkeit der Reichsvikare zu jenen Vorschlägen im Namen des Reiches ausdrücklich zu betonen. Dem Rechte der Reichsgewalt, ihrem Patronatrecht, sollte in einer jeden Zweifel tilgenden Weise zur Wahrnehmung verholfen werden. Das Reich und die Gesamtheit seiner Ordnungen sollten auch in dieser Hinsieht als der über den Individuen stehende, die Lebensdauer auch des einzelnen Königs überragende Staat in Erscheinung treten. Dem Vorschlag des Reichsvikars eignete derselbe Ausgangspunkt und dieselbe Kraft wie dem des Königs. Er bekundete den Willen des Reiches, sein Recht an der erledigten Pfründe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Er verhinderte eine Schmälerung der Reichsrechte, wurde er rechtzeitig getätigt. Blieb er aus, so trat eine Minderung der Reichsrechte ein, also das, was die Goldene Bulle gerade vermieden wissen wollte, wenn sie im unmittelbaren Anschluß an den oben[3] wiedergegebenen Satz verfügte: Ipse tamen comes Palatinus omne genus alienacionis seu obligacionis rerum imperialium huiusmodi provisionis tempore expresse sibi noverit interdictum. Der Reichspatronat war eine res imperialis; wurde er nicht in einem Vorschlag an

  1. Vgl. P. Hinschius a. a. O. III S. 46 Anm. 1. S. 47; s. aber auch G. J. Ebers, Das Devolutionsrecht, vornehmlich nach katholischem Kirchenrecht (a. u. d. T.: Kirchenrechtliche Abhandlungen herausg. von U. Stutz, Heft 37 und 38. Stuttgart 1906) S. 287 ff.
  2. So war z. B. der Thron unbesetzt in der Zeit vom 15. Juli 1291 bis 1. Juli 1292, vom 1. Mai 1308 bis 6. Januar 1309; vgl. H. Triepel a. a. O. S. 22.
  3. S. oben S. 277.
Empfohlene Zitierweise:
Albert Werminghoff: Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1915, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_36_285.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)