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den zuständigen Kirchenoberen gehandhabt, trat demnach ein Anfall an diesen ein, so fand eine alienacio rei imperialis statt, deren ein Reichsvikar sich nicht schuldig machen sollte.

Dazu kam ein weiteres. Es liegt von vornherein nahe, daß die Berechtigungen der Reichsvikare oder Reichsverweser denjenigen ähnlich waren, mehr noch denen glichen, die von den Königen bei ihren Lebzeiten den Reichsstatthaltern, sei es für längere sei es für kürzere Zeit, sei es für den Gesamtumfang sei es für bestimmte Teile des Reichsgebietes, übertragen wurden. Gewiß, die Grundlage des Rechts der Reichsstatthalter war eine andere als die der Reichsvikare — dort die ausdrückliche Bevollmächtigung von seiten des Königs, hier die aus dem Wesen des Reiches von selbst sich ergebende Fähigkeit zur Ausübung der Reichsgewalt —, jedenfalls aber ist es bezeichnend, daß die Reichsstatthalter seit der Zeit Rudolfs von Habsburg zur Wahrnehmung auch der kirchlichen Hoheitsgerechtsame des Herrschers[1], letzthin auch zur Handhabung des Vorschlagsrechtes für kirchliche Pfründen bevollmächtigt erscheinen. In diesem Zusammenhang wird Karls IV. Urkunde vom Jahre 1346 für seinen Großoheim, den Erzbischof Balduin von Trier († 1354), den er per totam Germanium et Galliam ac terras adiacentes eisdem auctoritate nostra regia ac per totum nostrum comitatum Lutzellimburgensem tamquam comes eiusdem bestellte, von besonderer Wichtigkeit; gewährte sie doch dem Reichsstatthalter neben rein weltlichen Gerechtsamen auch die kirchliche: beneficia ecclesiastica cum cura vel sine cura, etiam si dignitates aut personatus fuerint, ad regiam seu imperialem celsitudinem iure ordinario aut alio quovis iure vel consuetudine collationem seu disposicionem spectantia personis, quas ydoneas reputaveris, conferendi et de ipsis providendi.[2] Man

  1. Vgl. die Urkunde Albrechts d. d. 1281 Mai 23; MG. Const. III p. 263 n. 271, die Urkunden Johanns von Böhmen aus den Jahren 1312 und 1313; ebenda IV 2 p. 1127 sqq. n. 1122 sqq., bes. n. 1122. 1131. 1133. 1134. 1140. 1141. G. Kupke, Das Reichsvikariat S. 16ff.
  2. d. d. 1346 Dez. 9; MG. Const. VIII p. 224 n. 144 § I (Zeumer, Quellensammlung 2 S. 189 n. 146 § I); die Bestimmung fehlt in der sog. [287] Commissio minor vom gleichen Tage, ebd. VIII p. 227 n. 145. S. auch G. Kupke a. a. 0. S. 20ff. — Die Erwähnung der gleichen Gerechtsame in späteren Bestallungsurkunden für Reichsstatthalter mag nur durch Einzelhinweise angemerkt werden. Sie findet sich zunächst in Formeln des Collectarius perpetuarum formarum des Johann von Gelnhausen, wie sie in der Kanzlei Karls IV. benutzt wurden (n. 165. 166, vgl. für Böhmen n. 167, herausg. von H. Kaiser, Collectarius perpetuarum formarum Johannis de Geylnhusen, Innsbruck 1900, S. 144 ff.), weiterhin in den Urkunden Karls IV. d. d. 1372 Mai 30 (G. Kupke a. a. O. S. 61) für den Erzbischof von Köln, Wenzels d. d. 1396 März 19 (Deutsche Reichstagsakten II S. 432 Zeile 26 ff.) für Sigmund von Ungarn, Ruprechts von der Pfalz d. d. 1401 Sept. 13 (ebd. V S. 24 Zeile 28ff.) für seinen Sohn, Sigmunds d. d. 1422 Aug. 25 (ebd. VIII S. 190 § 4u) für den Erzbischof von Mainz. Die Aufzählung der dem Vorschlagsrecht unterworfenen Pfründen wird im Laufe der Zeit immer wortreicher, ohne darum jeweils nur Neues zu bieten. Genannt werden canonicatus, prebende, dignitates eciam si curate existant, personatus, ecclesie parrochiales, beneficia et officia ecclesiastica seu temporalia, prelature, prepositure, prioratus, capellarie, altaria. Zu den einzelnen Reichsstatthalterschaften vgl. G. Kupke a. a. O. S. 23ff., zu der des Erzbischofs von Mainz im Jahre 1422 noch M. G. Schmidt, Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle bis zum Tode Kaiser Sigmunds (Halle a. S. 1894) S. 48ff. W. Auener, Konrad III. von Mainz und seine Reichspolitik 1419—1434 (Halle a. S. 1908) S. 30ff.
Empfohlene Zitierweise:
Albert Werminghoff: Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1915, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_36_286.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)