Seite:Zeitschrift fuer deutsche Mythologie und Sittenkunde - Band I Seite 389.png

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es ist eine hexe, ουκγενεζα (hundsauge), die vier augen hat, nemlich außer den gewöhnlichen noch zwei am hinterhaupt, die man aber nicht sieht, weil sie mit dem kopftuch bedeckt sind. sie machen sich auf und gelangen zu dem haus der hexe, die beim eintritt gleich ihrer tochter zuruft den backofen zu heizen, sie selbst geht noch mehr holz zu holen. ‚was habt ihr vor?‘ fragt die frau. ‚wir wollen dich braten und verzehren‘ antwortet das mädchen. ‚mir recht‘ sagt die frau, ‚aber gib acht daß das feuer nicht ausgeht.‘ ‚ich will es schon anblasen‘ erwidert das mädchen. als es vor der öffnung des ofens steht, stößt es die frau mit beiden händen in den ofen und entflieht, bevor die alte zurückkehrt. es ist das märchen von Hansel und Grethel (Hausm. nr. 15). alterthümlicher scheint darin daß die hexe eine tochter hat, die ihr zur hand geht. das schwedische (Cavallius nr. 2) hält sich näher an das deutsche. ein magyarisches (Stier nr. 5) weicht von beiden ab und ist minder einfach.

Das zweite ist, unter ganz andern verhältnissen, unser märchen von der gänsemagd (Hausm. nr. 89). ein mädchen zieht aus seine sieben brüder zu suchen; die mutter hat ihm die magd mitgegeben. auf dem wege empfindet es heftigen durst, und als sie zu einer quelle gelangen, springt es vom pferd und gibt es der magd zu halten. während es sich herabneigt und trinkt, besteigt die magd das pferd und jagt davon. es läuft hinterher, als es aber bei den brüdern anlangt, wird die magd als schwester aufgenommen, sitzt auf dem goldnen stuhl und spielt mit dem goldnen apfel: die echte schwester muß hühner und gänse hüten, weint dabei und sendet ihrer mutter grüße mit der sonne des mittags. die bedeutung des pferdes ist hier ganz verschwunden, überhaupt ist das deutsche gehaltvoller und sinnreicher. doch ist hier der zug eigenthümlich und schön daß das mädchen seiner mutter grüße durch die mittagssonne zusendet, die ohne zweifel nachricht von ihrem harten schicksal bringen und hilfe herbei rufen sollen. königstöchter spielen mit goldenen kugeln (Hausm. nr. 1. Colshorn s. 55), wie die engel im himmel mit der weltkugel

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Johann Wilhelm Wolf (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band I. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1853, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_I_Seite_389.png&oldid=- (Version vom 20.3.2019)