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die Sonne, seine Ruhestäte und sein Land hat, ers auch mit den Edlen und Guten theile. – Uns, in unsrer christlich-Deutschen Denkart, ist vielleicht nichts fremder, als die luftige Halle Fingals; setzet man sich aber in die Einsamkeit weniger, von der Natur abgeschlossener, sich einander treuer und rüstiger Stämme, so kann man sich den Glauben dieser Dichtung leicht erklären. In der Einsamkeit wird die Seele gleichsam horchender: ein Gemüth voll zarter Leidenschaft, das nur wenig Ideen hat, und an diesen desto fester hanget, kann also bald dahin kommen, die Gestalt seines Geliebten im Schatten, im Nebel, in der Wolke zu sehn, und seine Stimme im vorbeigehenden Lüftchen zu hören. Da nun die Naturscenen des Landes, das diese Geschlechter bewohnten, so abwechselnd, sonderbar und kühn sind, daß die kälteste Einbildungskraft neuerer pure pute gelehrter Reisenden selbst, durch sie hie und da erwärmt wurde: so konnten Sitten

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)