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36.

Warum wollet ihr, daß der Tiger, die Hyäne, der Abscheulichkeiten wegen, die sie (sogenannte Menschen) an Menschen begehen, erst in einem künftigen Leben leiden und ihre Verruchtheit, der keine Hölle weit und tief gnug ist, durch eine Rache büßen sollen, die keinem vom ihren Beleidigten und Unterdrückten das mindeste hilft? Euch thut er das Unrecht; bindet Ihr den Tiger und macht ihn zum Menschen. So rächet Ihr euch aufs edelste, und bewirkt selbst eine glückliche Metempsychose. Wie? ihr wolltet euch ruhig die Leber fressen lassen, damit euren Geier in seinem künftigen Zustande das Schicksal röste und brate? Schämt euch einer niedrigen Trägheit, die sich mit kindischem Wahn tröstet. Palingenesirt euch selbst an euren leidenden und Leidbringenden Theilen; so darf euch das Schicksal nicht palingenesiren.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/189&oldid=- (Version vom 1.8.2018)